Die Feuerbraut
ärgert es trotzdem! Wenn er deine Narbe fortgemacht hätte, wäre doch bewiesen, wie groß seine Kunst ist, und Ehrentraud könnte sich beruhigt in seine Hände geben.« Irmela berührte Fannys Wange mit den Fingerspitzen und strich überdie sich seltsam dünn anfühlende Haut über dem knotigen Brandmal.
In dem Augenblick erklang ein höhnisches Lachen, und Johanna trat aus einem dunklen Gang. »Du hast Fanny wohl deswegen als Zofe ausgewählt, um andere Dinge mit ihr treiben zu können, als dir von ihr die Haare flechten zu lassen!«
Irmela fuhr herum und starrte ihre Tante empört an. Bevor sie aber etwas sagen konnte, war Johanna bereits wieder verschwunden. »So ein gemeines Biest!«
Fanny winkte verächtlich ab. »Die schließt nur von sich auf andere!«
»Was willst du damit sagen?«
Die Magd wusste nicht so recht, ob sie mit der Sprache herausrücken sollte, entschied dann aber, dass sie vor ihrer Herrin keine Geheimnisse haben durfte.
»Nun, es war so …«, begann sie stockend und sehr leise. »Vor ein paar Tagen hat Ehrentrauds Zofe vergessen, ihr am Abend den Schlummertrunk in ihr Zimmer zu bringen. Da ich zufällig in der Küche war, bat die Köchin mich, den Becher hinzubringen. Als ich auf die Tür der Schlafstube zutrat, war diese verschlossen, und ich habe seltsame Geräusche dahinter vernommen. Neugierig geworden, habe ich durch das Schlüsselloch geblickt und sie gesehen.«
»Wen meinst du mit ›sie‹?«, fragte Irmela verwundert.
»Johanna und Ehrentraud. Sie waren beide nackt und haben sich gegenseitig abgeleckt wie Katzen, die ihr Fell reinigen.«
Nun war es ausgesprochen. Fanny blickte Irmela ängstlich an, denn sie fürchtete, diese würde ihr keinen Glauben schenken und annehmen, sie wolle die beiden jungen Frauen verleumden.
Irmela schüttelte fassungslos den Kopf. Es ging über ihr Verständnis, was die beiden mit ihrem Tun bezweckten, doch sie glaubte Fanny. Ihre Auskunft konnte die Erklärung dafür sein,dass Ehrentraud und Johanna seit ein paar Wochen denselben, leicht stechenden Geruch verströmten.
Sie schob den Gedanken beiseite und blickte in die Richtung, in die Portius verschwunden war. »Es tut mir leid, Fanny. Ich hätte dir gerne geholfen. Jetzt werde ich wohl doch mit Lohner sprechen müssen. Aber ich fürchte, er wird dir arge Schmerzen zufügen.«
»Die Angst verspürt die Lexenthal auch, sonst hätte sie Lohner längst an ihre Narben gelassen. Dabei sollen sie zwar länger, aber nicht so dick sein wie die meine.« Fanny stieß verächtlich die Luft aus und griff sich unbewusst an die Wange. Dabei wurde ihr klar, dass sie Irmela nicht auch noch diese Last aufbürden durfte. Ihre Herrin hatte mit Portius geredet, um ihr zu helfen. Lohner würde sie jedoch selbst ansprechen, schon um von ihm zu erfahren, was er mit ihr anstellen würde, wenn er sich auf die Behandlung einließ. Dabei erinnerte sie sich an die Qualen, die ihr die frische Brandwunde zugefügt hatte, und zog die Schultern hoch. So schlimm wie damals würde es hoffentlich nicht werden. Um Irmela zu beruhigen, lächelte sie und deutete in die Richtung, in der deren Kammer lag.
»Ihr solltet Euch ein wenig hinlegen und ausruhen. Wenn Ihr wieder wach seid, bringe ich Euch frisches Wasser und einen kleinen Imbiss, denn Ihr werdet gewiss nicht mit Helene und Fräulein Johanna speisen wollen.«
»Leider muss ich zu den gemeinsamen Mahlzeiten erscheinen, sonst nennen sie mich ein ungefälliges Ding, und ausgerechnet Helene hält mir Vorträge über gutes Benehmen.« Irmela stöhnte, denn auf diese Zeremonie hätte sie gerne verzichtet. Dann erinnerte sie sich daran, dass Fanny ihre Stiefgroßmutter nur beim Vornamen genannt hatte. »Du solltest nicht so respektlos von Johannas Mutter reden. Wenn dich eine der anderen Mägde hört und es weiterträgt, kann ich nicht verhindern, dass du Schläge erhältst.«
Das war Fanny klar, und sie nahm sich vor, ihre Zunge in Zukunft besser zu hüten. Jetzt aber scheuchte sie Irmela wie ein ausgerissenes Hühnchen in ihre Kammer und schloss die Tür hinter ihr. Dann drehte sie sich um und lief durch den Flur zurück in den Trakt, in dem die beiden Ärzte untergebracht waren. Portius hatte sich unterdessen beruhigt und einige seiner Salben und Essenzen geholt, um sie Ehrentraud vorzuführen. Lohner hatte daraufhin seinerseits die junge Dame verlassen und stapfte missmutig auf sein Zimmer zu. Beim Anblick der jungen Magd, die vor seiner Tür wartete, hob er den Kopf.
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