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Die Feuerinseln: Das Geheimnis von Askir 5 (German Edition)

Die Feuerinseln: Das Geheimnis von Askir 5 (German Edition)

Titel: Die Feuerinseln: Das Geheimnis von Askir 5 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Schwartz
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einer seiner Statuen gegenübergestanden hatte, war er mir größer und bedrohlicher erschienen, doch das mochte daran liegen, dass ich damals noch ein Kind gewesen war.
    Ich machte einen kleinen Schritt zur Seite, die Augen des Gottes folgten mir.
    Wenn ich letztlich durch Soltars Tor ging, würde ich auch Boron gegenüberstehen. Die Liste meiner Verfehlungen war sicherlich lang genug, um gleich mehrere Bücher zu füllen. Und zu jedem Vorwurf hatte ich nur eine Verteidigung: Es schien mir angebracht, so zu handeln, wie ich es tat. Ich hatte allerdings meine Zweifel, ob das reichen würde.
    Ich verbeugte mich tief vor ihm, drehte mich um und ging wieder hinaus.
    Ein Priesterschüler trat mir in den Weg. »Boron ist der gerechte Gott. Er wiegt die Seelen, und er ist es, der Gnade walten lässt. Sein Haus ist Zuflucht für all jene, die verfolgt werden, und er speist die Armen«, intonierte der junge Mann und wies bedeutsam auf eine silberne Schale neben den Tempeltoren.
    Seit ich Seelenreißer trug, hatte ich mich geweigert, Soltar zu spenden. Ich zahlte auf andere Weise. Mit Boron hatte ich keinen Zwist, dennoch, es fühlte sich falsch an, ihm zu spenden, was ich meinem Gott vorenthalten hatte. Ich schüttelte den Kopf und tat einen weiteren Schritt, doch der Schüler stellte sich mir erneut in den Weg.
    »Bedenkt, Ser, dass auch Eure Seele von ihm gewogen wird.«
    »Wollt Ihr damit sagen, dass mein Gold die Waage meiner Seele neigen wird?«, fragte ich ihn.
    Es war ein Trick der Baumeister, dass Stimmen an manchen Stellen der Tempel anders klangen. Die Stimme des Priesters, der vor dem Standbild des Gottes predigte, erfüllte den ganzen Tempel, ohne dass er laut sprechen musste. Diese Stelle hier musste ähnlich sein, denn meine Stimme donnerte durch das Haus Borons wie ein Herbststurm. Hinter mir ließ ein anderer Schüler vor Schreck eine Schale fallen, und ich besaß mit einem Mal die volle Aufmerksamkeit der wenigen Menschen, die um diese Zeit im Tempel waren. Nur mit Mühe unterdrückte ich einen Fluch. Der Junge wurde blass um die Nase und trat hastig einen Schritt zurück.
    Ich seufzte. »Besteht der Gott auf einer Spende? Dann geht und fragt einen Priester, was angemessen für eine Heilung tödlicher Wunden ist«, sagte ich und war froh, dass meine Stimme nun leiser klang. Er hastete davon. Ich blieb stehen, neben mir der Korporal, dessen Blicke ich die ganze Zeit auf mir spürte.
    Der Priesterschüler kam wieder herbeigeeilt, an seiner Seite ein älterer Mann in den Roben Borons. Ich verbeugte mich leicht vor ihm.
    »Ich bin Recard«, stellte sich der Priester vor. »Ich habe Euch eben gehört.«
    Ich verzog das Gesicht. »Entschuldigt«, sagte ich rasch. »Es lag nicht in meiner Absicht.«
    Der Priester wischte meine Worte mit einer Geste zur Seite. »Es geht um das, was Ihr sagtet, nicht wie gut man es hören konnte«, erklärte er lächelnd. »Ich habe nun eine Frage an Euch. Glaubt Ihr, dass es einen Preis für Eure Seele gibt oder einen Preis für das Leben?«
    »Zu beidem: Nein«, antwortete ich. Ich trat etwas mehr zur Seite, um nicht mehr inmitten des Eingangs zu stehen, denn die lauten Punkte waren oft eng eingegrenzt. Dann löste ich meinen Beutel, zog zwei der schweren Soldmünzen der Zweiten Legion heraus und ließ sie in die silberne Schale fallen. »Für die Verwundeten, die heute Nacht hierhergebracht wurden, erbitte ich Borons Gnade. Dieses Gold ist für die Armen, die der Tempel speist.«
    »Und was erbittet Ihr für Euch?«, fragte der Priester sanft.
    »Gerechtigkeit«, sagte ich, verbeugte mich und ging davon. Er und der Priesterschüler sahen mir nach, ich dachte schon, das wäre alles, als ich die leise Stimme des Priesters hörte.
    »Haltet ein, bitte.«
    Ich blieb auf den Treppen stehen und sah zurück zum Tor. Der Priester winkte mich heran. Ich schaute an ihm vorbei zu der Statue des Gottes und seufzte, aber ich ging die Stufen wieder hoch.
    »Ein Mann liegt auf seinem Krankenbett, die Krankheit ist sein Alter. Seine Söhne und Töchter knien um ihn herum, beten für ihn und erbitten Heilung. Nicht weit entfernt ringt eine junge Frau mit dem Tod, sie gab ihr Leben für ein Ideal, doch jetzt wird sie sterben, wenn der Gott ihr keine Heilung gewährt. Was ist nun gerechter, ihn sterben zu lassen oder sie?«
    »Das ist die falsche Frage, Priester«, antwortete ich leicht gereizt. Ich kannte solche Fragen aus meiner Kindheit, damals waren es die Priester Soltars, die mich derart

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