Die Feuerkämpferin 01 - Im Bann der Wächter
brannte er doch darauf, sie sich anzueignen.
Seit damals betrachtete er San mit einer Mischung aus Bewunderung und Misstrauen. Es war wie mit der Raserei, die in seiner Brust lauerte; obwohl sie, wie er wusste, etwas
Schlechtes war, hatte sie doch auch etwas Verlockendes, fast Gutes, dem er immer wieder erlag. Und ebenso war San ein Mann, dem er nichts abschlagen konnte, und obwohl er ihn auch fürchtete, fühlte er doch, dass er ihm folgen musste.
Mit dem Schwert in der Hand trat er aus der Tür. »Ich bin so weit«, sagte er fast ergeben.
San bedachte ihn mit einem Lächeln, dem grimmigen Lächeln eines Wolfes.
20
Der Tempel
M ira und San sahen sich nur selten, waren gewissermaßen zwei getrennte Elemente von Amhals Leben. Mira war sein Meister, der ihn tagsüber in all den Dingen unterwies, die ein Ritter beherrschen musste, der ihn lehrte, seine Triebe zu zügeln, und ihm eine sonnige Welt zeigte, in der kein Platz war für das finstere Grauen, und wenn doch, so war dieses Grauen doch in den Griff zu bekommen oder durch vernünftiges Handeln zu vertreiben.
San hingegen stand für das Dunkle, die Faszination der Finsternis. Er war der okkulte Lehrer, der ihn an eine Welt heranführte, in der die Übergänge zwischen Gut und Böse sehr fließend waren, ein Ort, an dem sogar die Tobsucht ihren klaren Charakter verlor und in etwas Unbestimmtes überging, das gefährlich war und verlockend zugleich.
Wenn es sich ergab, plauderten die beiden Männer in freundschaftlichem Ton. Aber sie kannten einander nicht. Und Mira wusste auch nichts von den nächtlichen Fechtübungen seines Schülers.
»Du wirkst müde in jüngster Zeit«, bemerkte er einmal morgens während einer Ausbildungsstunde.
»Ich bin neuerdings auch sehr eingespannt«, wich Amhal aus. »Außerdem schlafe ich ziemlich unruhig.«
Doch wenn Mira ihn dann wieder einmal lobte, weil sich seine Reflexe noch verbessert hatten, oder wegen irgendeiner
neuen Technik, machte ihn das auch stolz. Dann überlegte er, dass sich sein Meister doch vielleicht freuen würde, wenn er von diesen Übungsstunden mit San erfuhr. Dennoch fand er nie den Mut, ihm davon zu berichten.
Eines Morgens rief Mira ihn zu sich.
»Der Gemeinsame Rat tritt zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen. Der Hof und sein Gefolge werden unverzüglich nach Neu-Enawar aufbrechen.«
Amhal nickte. Er war bereit.
»Allerdings wirst du nicht mitkommen.«
Einen Moment lang war Amhal sprachlos. »Aber, Meister …«
»Die Lage in der Stadt ist sehr kritisch«, fuhr Mira fort. »Die Spannungen nehmen dramatisch zu, weil diese geheimnisvolle Krankheit offenbar die Tore Makrats erreicht hat. Jetzt gilt es, die Augen offen zu halten. Deshalb wurde beschlossen, einen Teil der Truppen in der Stadt zu belassen. Der König wird nur mit kleinem Gefolge reisen.«
»Aber, Meister, ich möchte auf alle Fälle mit Euch kommen …«
»Wieso?«, unterbrach Mira ihn. »Du hast solch große Fortschritte gemacht in den vergangenen Wochen, dass ich deine übertriebene Anhänglichkeit an meine Person gar nicht weiter unterstützen möchte. Das bekommt dir nicht. Du bist flügge geworden und durchaus in der Lage, allein zurechtzukommen. Deswegen wirst du hierbleiben.«
Stolz und Sorge mischten sich in Amhals Brust.
»Und zudem wird San ein Auge auf dich haben.«
Amhal wusste nicht, was er sagen sollte. Es geschah zum ersten Mal, dass sich Mira und San in einer Angelegenheit abgesprochen hatten. Mit einem Mal berührten sie sich, diese beiden Welten, zwischen denen er eine Zeit lang hinund hergerissen war.
»War das seine Idee? Ich meine, hat er Euch darum gebeten, mich hier zu lassen?«
Mira blickte ihn verständnislos an. »Warum hätte er das tun sollen? Nein, nein, der König hat angeordnet, dass einige Männer hierbleiben sollen. Darunter auch San. Und ich habe dabei eben an dich gedacht. Zudem habe ich den Eindruck, dass du ihn aus ganzem Herzen bewunderst, und er seinerseits hält ja auch große Stücke auf dich. Deswegen habe ich ihn gebeten, sich ein wenig um dich zu kümmern.« Er schlug ihm mit der flachen Hand auf die Schulter. »Die Zeiten kleinlicher Sorge sind vorüber. Du bist stark, Amhal, stärker, als du selbst vielleicht glaubst, und nicht mehr lange, und du wirst ein Drachenritter sein. Betrachte die nächste Zeit als eine letzte Prüfung.«
Etwas löste sich in der Seele des jungen Kriegers, und er spürte einen Kloß im Hals. »Ich will versuchen, Euch nicht zu enttäuschen«,
Weitere Kostenlose Bücher