Die Feuerkämpferin 01 - Im Bann der Wächter
Nacht: Einige wenige Stunden unruhigen Halbschlafs, dann krampfte ihm der Schmerz wieder die Brust zusammen, so dass er ganz erwachte.
Als er jetzt die Tür in den Angeln quietschen hörte, rührte er sich nicht. Wer es auch sein mochte, es war ohne Bedeutung. Ob Feind, ob Freund oder wieder mal so ein Idiot, der ihn aus seiner Niedergeschlagenheit zu reißen versuchte. Sollten sie doch kommen. Nicht einmal Adhara hatte die Mauer seiner Gleichgültigkeit ins Wanken bringen können.
Stiefelschritte auf dem Holzfußboden, ein Stuhl, der herangerückt wurde, jemand nahm darauf Platz. Dann wieder Stille.
Mit geöffneten Augen lag Amhal reglos im Halbdunkel des Raumes. Der Mond vor ihm warf ein fahles Licht auf die Ziegelsteinwand zu seinen Füßen.
»Ich war zwölf, als er ums Leben kam.«
Es war San. Amhals Herz zuckte kurz zusammen, aber rühren ließ es sich nicht. Weitere tröstend gemeinte Worte, die nur bewirken würden, dass er sich noch schlechter fühlte.
»Viel Zeit hatten wir eigentlich nicht zusammen verbracht. Genau genommen, nur ein paar Monate. Doch es waren die einschneidendsten meines Lebens. Alles, was er mir beibrachte, über das Leben mehr noch als über den Kampf mit dem Schwert, hat sich tief in meinem Herzen eingebrannt und wird niemals zu löschen sein. Und aus diesem Grund ist ein Teil von mir mit ihm gegangen, als Ido dann starb.«
Eine einzelne Träne rann über Amhals Wange.
Er versteht mich, er hat ganz Ähnliches durchlitten , raunte ihm eine verzweifelte Stimme zu.
»Und er starb durch meine Schuld. Verstehst du? Er hatte sich meiner angenommen, hatte seine schützende Hand über mich gehalten, um zu verhindern, dass ich in die
Fänge der Gilde geriet, die meinen Körper dazu missbrauchen wollte, Aster wiederauferstehen zu lassen. Doch ich war ein überheblicher kleiner Junge und glaubte allen Ernstes, stark genug zu sein, um die Sekte auf eigene Faust besiegen zu können. Und so machte ich mich allein zum Tempel auf, dem Sitz der Gilde. Ich spürte, wie die magischen Kräfte glühend heiß meine Adern durchströmten, und war mir sicher , dass ich sie alle töten und so den Tod meiner Eltern rächen könnte, die diese irren Fanatiker auf dem Gewissen hatten.«
Eine lange Pause.
»Und dann?«, fragte Amhal kaum vernehmbar.
»Ich bin Ido entwischt und habe mich tatsächlich auf den Weg zur Gilde gemacht. Auf solch eine Gelegenheit hatte die Sekte nur gewartet. Weil ich noch nicht gelernt hatte, mit meinen Kräften umzugehen, wurde ich mir nichts, dir nichts überwältigt. Und dann geschah es: Learco, Dubhe, Theana und Ido kamen mir zu Hilfe und griffen die Gilde an. Und dabei verlor Ido sein Leben. Erst als ich ihn reglos am Boden liegen sah, wurde mir schlagartig klar, dass ich die Schuld an seinem Tod trug und dass er für immer von mir gegangen war.«
Amhal setzte sich im Bett auf und blickte San in die Augen, die ein Spiegel seiner Trauer waren, erfüllt von einem Schmerz, der auch der seine war.
Er ist wie ich .
»Ich begriff, wie vieles ich noch von ihm hätte lernen können und in welch ungeheurem Maß ich ihn brauchte. Ja, erst in dem Moment, als der tot vor mir lag, dämmerte mir, wie sehr ich auf ihn angewiesen war.«
Amhal senkte den Kopf und krallte eine Hand in seine Brust. »Es ist, als stecke hier etwas, als säße hier ein Tier, das nicht aufhören will, mir unablässig, Tag und Nacht, mit scharfen Krallen das Herz zu zerkratzen. Oder vielleicht bin ich es auch, der nicht will, dass es aufhört.«
»Das kenne ich«, flüsterte San gerührt, »genau so ist es.«
»Was soll ich nur tun?«, fragte Amhal verzweifelt. »Sterben? Meinen Weg weitergehen? Was soll ich tun?«
»Leiden.«
Scharf wie eine Klinge schnitt die Antwort durch die Stille im Raum.
»Ganz gleich welche Tröstungen du auch durch andere erfahren magst, dieser Schmerz wird nicht vorübergehen, sondern dich bis in Ewigkeit begleiten. Irgendwo tief in deinem Herzen wirst du jeden Tag so wie heute weiter weinen.«
Amhal fuhr sich über die Wangen. Sie waren nass.
»Und doch werden sich mit den Jahren die Dinge ändern, und es wird dir deutlich besser gehen. Ganz sicher. Aber das braucht eben Zeit.«
»Wie lange wird es dauern?«
San lächelte bitter. »Du wirst kämpfen müssen und lernen, mit diesem Schmerz zu leben.«
Von all den Aufmunterungen, die er in der jüngsten Zeit von anderen gehört hatte, schienen Sans Worte die einzig wahren zu sein. Denn aus ihnen sprach kein trügerischer
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