Die Feuerkämpferin 01 - Im Bann der Wächter
etwas verkehrt sein an jemandem, der sich so einer Fremden gegenüber verhält?«
Sie bedachte ihn mit dem strahlendsten und offensten Lächeln, zu dem sie fähig war, und Amhal erwiderte es matt. Der Schatten war immer über ihm.
»Ich habe irgendetwas geträumt«, wechselte Adhara das Thema und versuchte, ihm die wenigen Eindrücke zu schildern, die ihr nach dem Aufwachen im Kopf herumgegangen waren. »Vielleicht sind das Erinnerungen. Was meinst du?«
Amhal zuckte mit den Achseln. »Möglich. Könnten Anzeichen sein, dass dein Gedächtnis zurückkehrt.«
»Du hast doch gesagt, dass ich Nymphenblut besitze … Glaubst du, dass ich vielleicht aus diesem Land hier stamme?«
»Eigentlich hast du nur sehr wenig von einer Nymphe. Wahrscheinlich das Erbe eines sehr entfernten Verwandten. Offen gesagt, verstehe ich selbst nicht, was dahinterstecken könnte.«
Adhara schaute zu Boden. »Es ist alles so unglaublich verwickelt, egal welcher Spur zu meiner Herkunft man auch folgen will …«
Amhal stand auf. »Du musst Geduld haben. Im Lauf des Tages werden wir in Laodamea eintreffen.«
Adhara sah zu, wie er seine Sachen zusammenpackte, und half ihm dann, die Rüstung anzulegen.
Jamila hinter ihnen schnaubte. Sie schien es eilig zu haben, sich wieder in die Lüfte zu erheben.
Am Nachmittag erreichten sie Laodamea. Die Sonne war längst im Sinken begriffen, und ihre Strahlen glitzerten bernsteinfarben im Gold der unzähligen Flüsse und Kanäle, die die Stadt durchzogen.
Adhara konnte sich nicht sattsehen: Die ganze Stadt schien ins Wasser gebaut. Die Häuser wirkten massiv und waren aus roten Ziegeln gemauert, wodurch sich die Hauptstadt des Landes des Wassers harmonisch ins Grün der sie umgebenden Wälder einfügte. Das beeindruckendste Bauwerk aber war ein riesengroßer Palast, der sich über einem Wasserfall erhob. Das Wasser stürzte unter der Befestigungsmauer in die Tiefe, überspülte aber auch noch einige Strebepfeiler. Er war unmittelbar in den grauen Fels geschlagen, an dem der Wasserfall hinabschoss. Seine Lage war wirklich fantastisch: Über die Hälfte des Palastes erstreckte sich nämlich seitlich längs des oberen Randes der Felsrippe, an dem das Wasser hinabstürzte, und war zudem von einem geradezu blendenden, marmornen Weiß.
»Seit das Land des Wassers wieder vereint ist, gibt es auch eine gemeinsame Regierung. Zwar wählen jeweils die Nymphen und die Menschen ihre eigenen Regenten, aber die herrschen dann zusammen«, erklärte Amhal. »Kein Beschluss kann gegen den Willen der anderen Regenten gefasst werden. Zwar ist die Politik dieses Landes dadurch recht träge, aber in Friedenszeiten, wie wir sie heute erleben, ist das kein Problem. Übrigens wurde der Palast früher nur von Nymphen genutzt. Später wurde dann ein ganz neuer Flügel angebaut. Der alte Teil wird heute von der Nymphenkönigin und ihrer Familie bewohnt, während der weiße, neue Teil Sitz des Königs, eines Menschen, ist.«
Aufmerksam ließ Adhara den Blick über die Stadt und die Landschaft unter ihr schweifen und versuchte zu erkennen, ob ihr etwas vertraut vorkam. Dabei hoffte sie von ganzem Herzen, diesem Land zu entstammen, aber nichts von dem, was sie sah, weckte auch nur den Hauch einer Erinnerung in ihr.
Beim neuen Flügel des Palastes ließ Amhal den Drachen landen.
»Der Orden der Drachenritter verfügt über einen Stützpunkt im Palastgebäude, mit Stallungen für Drachen. Sonst könnten wir Jamila nirgendwo in der Stadt unterbringen. Heute Abend sind wir hier zu Gast, bevor wir dann morgen nach Neu-Enawar weiterfliegen. Als Erstes muss ich aber zu einem Vorgesetzten, Bericht erstatten. Danach sollten wir uns von einem Heilpriester untersuchen lassen, um kein Risiko einzugehen«, erklärte Amhal.
Auf einer marmornen Freifläche gleich über dem Wasserfall landeten sie und wurden von einem Jüngling in einem blassblauen Wams und einer Stoffhose empfangen. Sie stiegen ab, während der Jüngling Jamilas Zügel ergriff.
»Behandele sie gut«, schärfte ihm Amhal ein.
Er wirkte jetzt soldatischer, als Adhara es von ihm kannte. Nicht nur wegen der Rüstung und seines Schwertes, das er nicht mehr auf dem Rücken, sondern an der Seite trug, schräg, damit es nicht am Boden schleifte. Es war mehr noch sein Auftreten.
Sie betraten einen Raum mit schneeweißen Wänden, in dem es von Soldaten wimmelte. Die Brust vorgereckt und mit betont würdevoller Miene, trat Amhal näher. Adhara fiel eine gewisse Anspannung auf, die
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