Die Feuerkämpferin 01 - Im Bann der Wächter
Großvaters und widmete mich dem Studium alter Schriften. Aber im Grund tat ich fünfzig Jahre lang nichts anderes, als umherzuirren.« Er lächelte müde. »Und du?«, fragte er dann. »Wie ich höre, hast du Großes vollbracht.«
»Solange wir zusammen sind, haben Dubhe und ich all unsere Kräfte für das Wohl der Aufgetauchten Welt und speziell unseres Landes der Sonne eingesetzt«, antwortete Learco. »Endlich genießen wir hier Frieden, und das schon seit vielen Jahren. Und nun mache ich mich dafür stark, dass dieser
Friede gewahrt bleibt, auch wenn ich einmal nicht mehr bin. Meine Hoffnungen ruhen auf meinem Sohn. Du musst ihn unbedingt kennenlernen.«
»Man nennt dich den Gerechten …«
»Die Leute übertreiben gern …«
»Aber du hast doch tatsächlich eine neue Welt geschaffen.«
Learco erhob sich. »Es ist an der Zeit, dass auch die anderen von der Neuigkeit erfahren. Verzeih mir, aber ich musste dich zunächst allein sprechen, um ganz sicherzugehen, dass du es wirklich bist.«
San lächelte. »Das kann ich sehr gut verstehen.«
Er führte die Hand zum Schwert, zog das Heft ein Stück hervor und hielt es ins Licht. »Aber ich nehme an, das hier zählt mehr als tausend Worte, ganz zu schweigen von diesen hier.« Und damit deutete er auf seine Augen und Ohren.
Learco lachte und schlug ihm mit der flachen Hand auf die Schultern. Kräftig, gestählt fühlten sie sich an: die Schultern eines Kriegers.
»Ich lasse den Hofstaat zusammenrufen. Aber nicht hier. Du hast ein Recht, mit allen Ehren empfangen zu werden, in einem Saal, der dem bedeutenden Anlass deiner Wiederkehr angemessen ist.« Und damit wandte er sich zur Tür.
Einen Moment lang stand San versunken da und betrachtete die Wandteppiche: die Zerstörung des Tempels, die Bestie, wie sie die Assassinen zerfleischte, Nihals triumphaler Sieg über den Tyrannen.
Und dann in einer Ecke auch er: neben einem Drachen von leuchtend roter Farbe. Er trat näher heran, hob einen Finger und fuhr über das Gewebe. Ido. Mit seinem dichten Gnomenbart, dem gedrungenen, kraftvollen Leib, der Kampfeslust in seinen Gesichtszügen, in seinem Blick. Groß, mächtig und stark, so wirkte er hier. In der Hand das Schwert, das er jetzt selbst trug.
Hingerissen streichelte er über dieses Gesicht. Sein Meister.
»San, kommst du? Dieser Palast ist ein wahres Labyrinth. Allein wirst du dich hier nicht zurechtfinden.«
Der Gast riss sich los. Einen Moment lang schloss er die Augen und kämpfte gegen die Tränen an.
Dann drehte er sich um. »Ich komme schon.«
Er war bereit.
Wie jeden Morgen waren Amina und ihre Gesellschafterin ins Lernen vertieft. Adhara las in einem Buch, in dem es um Religionen ging; aber wie gewöhnlich wurden auch hier die Erweckten mit keinem Wort erwähnt. Da ging plötzlich die Tür auf, und alle drei, sie selbst, Amina und der Hauslehrer, schraken auf.
»Wie wäre es denn mit Anklopfen?«, murrte der Mann, während er den Kneifer mit den runden Gläsern abnahm, den er beim Lesen immer trug.
In der Tür stand eine Dienerin. »Verzeiht«, keuchte sie und verneigte sich, »aber … ein Befehl des Königs.« Dann wandte sie sich an Amina: »Seine Majestät wünscht dich unverzüglich zu sehen.«
Die Prinzessin sah fragend zu ihrem Lehrer.
»Geh nur, geh nur, wenn der König es so verlangt«, erklärte der.
»Adhara soll aber mitkommen.«
Und so geschah es.
Hastig folgten sie der Dienerin durch die Palastflure.
»Was ist denn eigentlich los?«, schnaufte Amina, die kaum Schritt zu halten vermochte.
»Ein großes Ereignis«, antwortete die Magd nur geheimnisvoll.
So gelangten sie zu einer breiten Tür. »Tretet nur ein«, erklärte die Dienerin, wobei sie, sich wieder verneigend, zur Seite trat.
Amina zog einen Türflügel auf, und vor ihren Blicken öffnete sich ein großer Festsaal mit verspiegelten Wänden. Durch die hohen Fenster, die zum Park hinausgingen, flutete das helle Mittagslicht.
Alle waren sie versammelt: Learco, Dubhe, Neor, Fea, Kalth. Sowie ein Mann, den Adhara noch nie gesehen hatte. Er war ganz in Schwarz gekleidet. Ohne dass Adhara es genauer hätte benennen könnten, wirkten seine Gesichtszüge fremdartig, anders als bei allen anderen, so als gehöre er einer eigenen Rasse an.
Alle Anwesenden strahlten, schienen fast ergriffen.
»Kommt nur«, forderte Neor sie auf.
Adhara spürte, dass Amina mindestens ebenso verwirrt war wie sie selbst. Sie schaute genauer hin und bemerkte an dem Fremden etwas, das
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