Die Feuerkämpferin 01 - Im Bann der Wächter
aber es gab Gerüchte, wonach der ganze Süden des Landes des Wassers schon befallen war.
»In mancher Hinsicht ist die Krankheit dem Roten Fieber ähnlich, nur sehr viel aggressiver. Man zählt bereits viele Hundert Tote.«
Aber es kam noch schlimmer. Wie Amhal berichtete, war Salazar unter Quarantäne gestellt worden und ebenso viele weitere Ortschaften, vor allem an den Ufern des Saars, wo einige Dörfer bereits infiziert waren. Auch im Land der Felsen war die Lage kritisch. Aber nirgendwo sah es so dramatisch aus wie im Land des Wassers.
»Allerdings ist dort nicht eine einzige Nymphe erkrankt, nicht eine einzige.«
Es schien sich zu bewahrheiten, was man ihnen anfangs erzählt hatte: Alle, in deren Adern Nymphenblut floss, wurden von der Seuche verschont.
»Und diese Tatsache sorgt für große Unruhe. Das Verhältnis
zwischen Nymphen und Menschen war nie ungetrübt, aber nun glauben dort viele an einen Plan der Nymphen, eine Verschwörung, um das gesamte Land des Wassers in Besitz zu nehmen. Was natürlich absurd ist. Das beweisen ja schon die Fälle in den anderen Ländern … Aber die Lage ist zum Zerreißen gespannt, und es droht ein Bürgerkrieg.«
Einige Siedlungen waren bereits von der Außenwelt abgeschnitten, im Süden begannen die Lebensmittel knapp zu werden. Aus diesem Grund hatte man viele Ritter in das Spannungsgebiet verlegt. Andere waren auch mit dem Befehl ausgesandt worden, für die Einhaltung der Quarantänemaßnahmen zu sorgen.
»Und was ist mit dir?« Adharas Stimme war nur ein Hauch.
»Ich bleibe hier.« Sie atmete erleichtert auf. »Mira ist auch weiterhin für die Schulung der Palastwachen zuständig, aber da nun viele Drachenritter fort sind, hat man ihm daneben noch die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung hier in Makrat übertragen. Und ich helfe ihm dabei.«
Einen Augenblick lang hielt Amhal nachdenklich inne.
»Ich komme mir wieder vor wie in den ersten Monaten meiner Ausbildung: Von morgens bis abends laufe ich mir in der Stadt die Füße wund, um kleine Diebe zu schnappen und Raufereien zu schlichten. Eine wenig ritterliche Tätigkeit.«
Beide lachten, doch die Anspannung, die sie bei dem Thema befallen hatte, legte sich nicht.
»Was geht da wohl vor sich?«, fragte Adhara in die Stille hinein.
»Ich weiß es nicht. Aber ich fürchte, dass sich etwas Entsetzliches anbahnt«, fuhr Amhal fort. »Natürlich tun wir alles, um damit fertigzuwerden«, fügte er im Brustton der Überzeugung hinzu. »Und das schaffen wir auch!«
Adhara hatte das Gefühl, auch daran glauben zu können.
Sie begleitete ihn noch hinaus bis zu dem großen Tor. »Dann also gute Nacht, und vergiss mich nicht wieder«, verabschiedete sie ihn lächelnd.
»Ich hatte dich nie vergessen«, erwiderte Amhal ernst. »Bei jedem Schritt durch Makrat denke ich an dich. Ich hatte versprochen, dir zu helfen, und noch hast du nicht wiedergefunden, was du verloren hast.«
Doch zum ersten Mal kam Adhara ihre Vergangenheit fast unerheblich vor. Ihre Gegenwart, dieser Abend mit Amhal, nur das war lebendig, war echt. Konnte ihr früheres Leben denn etwas bieten, was ihr ebenso naheging?
»Ich bemühe mich auch weiter um eine Audienz bei der Hohepriesterin. Aber das ist nicht so einfach. Sie ist ebenfalls sehr in Anspruch genommen von den Ereignissen. Aber ich hoffe doch, dich in nächster Zeit mit ihr zusammenbringen zu können.«
Doch ihr war, als habe sie ihre Vergangenheit gegen die Gegenwart getauscht. Denn es war ja ihre Orientierungs – losigkeit, ihr leeres Gedächtnis, was sie mit Amhal zusammengeführt hatte. Und so war der Verlust ihrer Vergangenheit ein Preis, den sie sehr gern bezahlte, um mit Amhal zusammen zu sein. »Aber versprich mir, dass du dich ab jetzt bemühst, hin und wieder etwas Zeit für mich zu finden.«
»Ich komme dich jeden Abend besuchen.«
»Verpflichte dich zu nichts, was du nicht einhalten kannst.«
»Das ist keine Verpflichtung, sondern ein Versprechen.«
Einen Augenblick standen sie sich schweigend gegenüber, dann beugte sich Adhara zu ihm vor, stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn auf eine Wange. Sein Bart kitzelte ihre Lippen, doch darunter spürte sie seine weiche Haut. Sie hatte noch nie jemanden geküsst, und ein wohliger Schauer durchlief ihren ganzen Körper.
»Bis bald«, hauchte sie, als sie sich endlich wieder von ihm gelöst hatte. Ohne ihm die Zeit zu geben, etwas zu erwidern,
schlüpfte sie durch das Tor und entschwand in der
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