Die Feuerkämpferin 02 - Tochter des Blutes
waren unbekannt. Wir waren frei, lebten unbedrängt in unserem Reich, stets gewiss, einen Baum zu finden, der uns Wohnstatt sein konnte, und brauchten keine Angst zu haben. Aber dann breitete sich eine Seuche aus. Es war nicht die, die wir heute erleben, aber sie war ihr sehr ähnlich. Wir Nymphen merkten nichts davon, denn so wie heute auch erkrankten wir nicht. Was wir aber sahen, waren die Toten, die die Elfen zu beklagen hatten, und den Schmerz, den ihnen dies bereitete. Doch sie wandten sich nicht an uns, beugten nicht das Knie, erbaten nicht unsere Hilfe. Stattdessen handelten sie auf eigenen Entschluss. Mit Gewalt drangen sie in unsere Wälder ein, fällten die Bäume, töteten uns und raubten unser Blut. Wieder und wieder überfielen sie uns, in regelmäßigen Abständen, bis die Seuche überwunden war. Die Elfen lebten, unser Volk aber hatte hohe Opfer zu beklagen. Doch nie fiel es jemandem ein, uns um Vergebung zu bitten.«
Theana schwieg. Sie spürte, dass jedes Wort ihrerseits unangemessen gewesen wäre.
»So höre nun, was wir beschlossen haben: Wir geben dir, worum du uns bittest, wenn auch zu unseren Bedingungen und in den Mengen, die wir für angemessen halten. Wir geben es dir, weil wir dein ehrliches Herz erkennen und spüren, dass deine Trauer aufrichtig ist. Wir geben es dir, weil diese Geißel das Werk der Elfen ist und wir Nymphen um deren Gnadenlosigkeit wissen. Weil deine Liebe stärker ist als der Hass derer, die sich an unserem Volk versündigt haben.«
Unfähig, etwas zu erwidern, blickte die Magierin die Königin verwirrt an.
Kalypso aber stand auf und trat auf Theana zu. »Verbürgst du dich dafür, dass die Versprechen, die du uns heute gegeben hast, nicht gebrochen werden?«
Theana nickte heftig. »Ja, das schwöre ich – bei meinem Leben.«
Das hauchzarte Gesicht der Nymphe erstrahlte zu einem herrlichen Lächeln. »Dann sei unbesorgt. Und vergiss, was du für deine Schuld hältst. Du konntest nichts dafür.«
Theana ergriff ihre Hand und nahm sie zwischen ihre Hände. Sogleich wurde ihr leichter ums Herz. Und die Furcht, die ihr das Herz schwergemacht hatte, löste sich in Tränen.
25
Auf dem Grund der Bibliothek
Ü berraschend schnell erholte sich Adhara von der Operation. Durch Magie war es Adrass gelungen, den Blutverlust gering zu halten und die Gefahr einer Infektion fast gänzlich auszuschließen. Anfangs konnte Adhara sich noch vormachen, dass nichts Schlimmes geschehen war, weshalb sie es auch vermied, einen Blick auf ihren Arm, an dem die Hand fehlte, zu werfen. Dann begannen die Schmerzen, zunächst noch verhalten, mit der Zeit jedoch immer heftiger, pochend, hartnäckig, unerträglich. So war eine zweitägige Rast unumgänglich, zwei Tage, an denen Adhara zusammengekauert am Boden lag, während sie sich mit der gesunden Hand den verstümmelten Arm hielt.
Ihr Proviant ging langsam zur Neige, und sie hatten keine Ahnung, wie sie unter diesen Umständen den langen Rückweg schaffen sollten.
Als das Mädchen sich zum ersten Mal den Stumpf anschaute, kamen ihr die Tränen. Der Arm sah entsetzlich aus. Von Blut keine Spur, nur das Ausbrennen der Wunde hatte ein breites Mal auf dem Unterarm
hinterlassen. Darunter, dicht beim Handgelenk, schloss sich das Fleisch über dem abgesägten Knochen, den Adhara hätte ertasten könnten, wäre ihr danach zumute gewesen. Die schwarzen Flecken waren verschwunden, was die Hoffnung weckte, dass die Infektion, die sich dort ausgebreitet hatte, tatsächlich überstanden war. Sie würde bald wieder gesund sein und ihr Körper, bis auf die fehlende Hand, wieder einwandfrei funktionieren. Aber sie wusste auch, dass der Keim des Übels immer noch in ihr steckte und wieder aufgehen würde, weil er, so wie sie es bisher versucht hatten, nicht aufzuhalten war. Um ihn endgültig auszumerzen, mussten sie weiter hinab in dieser Bibliothek bis hinunter zu dem Lavaschlund, bis hinein ins Innerste der Erde.
»Lass uns weiterziehen«, sagte Adhara ohne lange Vorrede am dritten Tag.
»Bist du sicher?«, fragte Adrass zurück, wobei er sie forschend anblickte. »Wenn du dich nicht stark genug fühlst, können wir auch noch etwas bleiben.«
»Nein, ich bin sicher. Und wenn ich nicht noch mehr Körperteile einbüßen soll, müssen wir uns beeilen«, antwortete sie mit einem gequälten Lächeln.
Sie verließen den Saal und bogen wieder in den Spiralgang ein, der nun immer steiler hinunterzuführen schien, während auch die Luft heißer und die
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