Die Feuerkämpferin 02 - Tochter des Blutes
Herrin«, hatte Baol häufig schon zu ihr gesagt, »Ihr seid die Befehlshaberin, Euer Platz ist hinter der Frontlinie.« Sie hingegen wollte sich auf dem Schlachtfeld zeigen, wollte, dass ihre Soldaten sie dort sahen. Hätte sie die jungen Krieger dort allein gelassen, wäre alles, was sie bis dahin getan hatte, sinnlos gewesen.
Und deswegen hatte sie sich auch in dieser Nacht dem Stoßtrupp angeschlossen, der die Elfen aus dem Hinterhalt angreifen sollte. Für sie war es eine Art Revanche gewesen. Vier Tage zuvor hatte sie jemanden aus ihrem Geheimdienst ausgesandt, um einen General der
Gegenseite zu ermorden. Mittlerweile war ihr nämlich klargeworden, dass gezielte Attentate in ihrer Situation, erschöpft und zahlenmäßig unterlegen, wie sie waren, wahrscheinlich die beste Waffe waren, um den Feind aufzuhalten. Die Taktik war simpel: Sie mussten die Anführer ausschalten, um so Verwirrung in den Reihen der Elfen zu stiften und dann anzugreifen, bevor sie ihre Reihen wieder geordnet hatten. Zwar hatte sie Jahrzehnte zuvor am Totenbett ihres Meisters geschworen, niemals mehr auf die Kunst des Meuchelmordes zurückzugreifen. Doch dies hier war ein Notstand, der es erlaubte, sich über solche persönlichen Versprechen hinwegzusetzen.
Für den Mordauftrag hatte sie eine junge, vielversprechende Agentin namens Tara ausgewählt. Bevor diese zu ihrer Mission aufbrach, hatte sie Dubhe fest in die Augen gesehen und ihr versprochen, dass sie Erfolg haben würde. Tatsächlich war sie ihre beste Kraft. Doch im Morgengrauen des nächsten Tages war Tara nicht zurück. Schließlich fand man sie, tot, aufgehängt an einem Baum, wo die Elfen sie als Zeichen der Geringschätzung den wilden Tieren zum Fraß überlassen hatten. Dieser Anblick hatte Dubhe dermaßen mitgenommen, dass sie sich vor Wut und Schmerz die Fingernägel ins Fleisch gebohrt hatte.
Für Tara war sie dann in den Kampf gezogen, um deutlich zu machen, dass niemand dergleichen ungestraft ihren Leuten antun durfte. Niemand.
»Fertig«, sagte der Heilpriester, während er sich aufrichtete. »Ein paar Tage müsst Ihr Euch schonen. Aber
schlimm ist die Verwundung nicht. Streicht das darüber.« Und damit reichte er ihr ein Fläschchen mit einer zähen Flüssigkeit darin.
Sie bedankte sich mit einem Kopfnicken und bat ihn dann, sie allein zu lassen. Ohne ein weiteres Wort verließ der Priester ihr Zelt.
Dubhe legte eine Hand an die Stirn. Sie fühlte die papierne Haut. Forschend glitten ihre Finger weiter über ihr Gesicht. Falten. Eine Landkarte mit Senken und Furchen. Das war ihr nie so richtig aufgefallen, denn um Schönheit hatte sie sich niemals wirklich gekümmert. Doch um Krieg zu führen, musste man jung sein, und es war eine besondere Tragik des Krieges, dass er gerade die Jungen hinwegraffte. So wie die, die sie eben noch tot auf der Lichtung hatte daliegen sehen.
Und im Grunde konnte sie nichts tun, um ihnen zu helfen. Wäre ihr Adjutant nicht so geistesgegenwärtig zur Stelle gewesen, hätte es auch sie erwischt. Ein Gefühl der Ohnmacht schnürte ihr die Brust ein.
Als sie sich vom Stuhl erhob, durchfuhr ein heftiger Schmerz ihr Bein. Verärgert befahl sie ihrem Körper, sich darüber hinwegzusetzen, und humpelte zu ihrem Tisch.
Sie nahm eine Feder zur Hand. Nur einen einzigen Zauber beherrschte sie, und zwar den, der für jedermann erlernbar war und mit dem man Botschaften in die Ferne senden konnte. Jeden Abend machte sie davon Gebrauch.
Mit einer Handschrift, die mit den Jahren immer ungenauer und langsamer geworden war, brachte sie die Worte zu Papier.
»Das ist unsere Stellung im Land des Wassers«, erklärte Kalth, nachdem er den Brief seiner Großmutter vorgelesen hatte, und deutete dabei auf einen Punkt auf der Karte, die auf dem Tisch ausgebreitet war. Im Beisein eines Generals und zweier Ratgeber zeichnete er ein Kreuz bei einem verlassenen Dorf ein. Diese Lagebesprechung in kleiner Runde hatte er ganz spontan einberufen. Es wollte beweisen, dass er genau wusste, was zu tun war, und dass er sich Tag und Nacht darüber Gedanken machte, wie ihre Lage zu verbessern wäre. Denn sein Problem bestand weniger darin, das Werk seines Vaters verantwortungsvoll fortzuführen, als vielmehr darin, sich seinem Umfeld als würdiger Nachfolger zu präsentieren. Es geschah nicht zum ersten Mal, dass das Land der Sonne von einer so jungen Majestät regiert wurde, denn seine Urgroßmutter war als Fünfzehnjährige auf den Thron gelangt. Aber dennoch
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