Die Feuerkämpferin 02 - Tochter des Blutes
immer noch etwas Tröstliches für ihn.
Um Haltung bemüht, blieb er einen Moment lang vor ihrer Tür stehen.
Dann klopfte er an. Einmal, zweimal. Wie immer keine Antwort, und so trat er einfach ein.
»Ich bin’s, Mutter«, begrüßte er sie.
Fea saß auf einem Stuhl vor dem Fenster. So verbrachte sie ganze Tage, schaute in den grauen Himmel und zählte die wenigen, verschreckt wirkenden Menschen, die überhaupt noch in den Straßen Neu-Enawars unterwegs waren. Abends legte sie sich nieder und wälzte sich bis zum Morgen in einem unruhigen Halbschlaf. Tag für Tag dasselbe Spiel in einem ununterbrochenen, starren Kreislauf.
Mit gemächlichen Schritten betrat Kalth den kalten, modrig riechenden Raum, setzte sich zu seiner Mutter ans Fenster und ergriff ihre Hand. »Wie geht’s dir?«
Fea antwortete nicht, blickte nur mit Leidensmiene hinaus ins Dunkel.
Wie immer erzählte ihr Kalth von seinem Tag. Er war sich darüber im Klaren, dass es sie wahrscheinlich überhaupt nicht interessierte, aber ihm selbst diente es dazu, seine Gedanken zu ordnen, Dinge im Geist abzuschließen und sich auf die nächsten Herausforderungen vorzubereiten.
»Was ist mit ihr?« Feas schrille Stimme ließ ihn zusammenzucken.
Kalth schluckte. »Amina geht es gut«, antwortete er dann mit einem Lächeln. »Gestern erst hat sie mir geschrieben.« Er zog den Brief seiner Großmutter aus der Tasche und tat so, als lese er ihn vor.
» Lieber Kalth, liebe Mutter, ich hoffe, es geht Euch gut. Ich bin von einer netten Familie aufgenommen worden, die es mir an nichts fehlen lässt, und ich kann mich nicht beklagen. «
Es war wieder eine Geschichte, die er sich spontan ausdachte. Die Geschichte einer unbeschwerten Reise durch eine friedliche Aufgetauchte Welt, die es schon längst nicht mehr gab. Und Fea lauschte ihm hingerissen. Kalth hätte nicht sagen können, ob sie wirklich glaubte, was sie da hörte, aber zweifellos bemühte sie sich nach Kräften. Deshalb schenkte er ihr auch, was sie sich wünschte, erzählte von einer Amina, wie die Mutter sie sich immer vorgestellt hatte: selbstbewusst, sanft und freundlich.
»Und warum kehrt sie nicht heim zu uns?«, fragte Fea unvermittelt. Jeden Abend die gleiche Frage.
»Das erklärt sie weiter unten. Hör zu: Gern würde ich bald zu Euch zurückkehren, doch im Moment sind die Wege
nach Neu-Enawar zu unsicher. Deshalb habt noch ein wenig Geduld, Ihr wisst ja, dass es mir gutgeht und dass es mir an nichts fehlt. Es schmerzt mich, wenn ich mir vorstelle, dass Ihr in Sorge um mich seid. Das braucht Ihr wirklich nicht, denn ich bin in Sicherheit. Eure Amina. « Langsam faltete Kalth den Brief zusammen und drückte seiner Mutter die Hand. »Da hörst du’s. Es geht ihr gut, und wir werden sie bald wiedersehen.«
Fea nickte, und ihr Gesicht erstrahlte in einem sanften Lächeln. »Du wirst gut auf sie achtgeben und sie beschützen, wenn sie wieder da ist, nicht wahr?«
»Das habe ich doch schon immer getan. Und das weißt du auch«, antwortete Kalth mit zitternder Stimme. »Sogar im Augenblick tue ich es.« Er starrte zu Boden und stand schließlich mit einem bemühten Lächeln auf. »Soll ich dir noch helfen, dich niederzulegen?«
Fea nickte, und er brachte sie zu Bett, schlug die Bettdecke zurück und gab ihr noch einen Kuss auf die Stirn.
»Sag morgen der Kammerzofe, sie soll Aminas Kleider auslüften. Ich möchte, dass sie gut riechen, wenn sie zurückkommt.«
»Das tue ich, versprochen. Und nun schlaf.« Fea hörte ihn nicht mehr, sie hatte die Augen geschlossen und schien eingeschlummert.
Einen Moment noch betrachtete Kalth sie, ging dann leise hinaus und zog die Tür sacht hinter sich zu. Als er allein im Flur stand, spürte er, dass seine Augen feucht wurden. Auch er hätte gern ein tröstendes Wort gehört, hätte sich gern in die Arme seiner Mutter geschmiegt und diesen unerträglichen Schmerz aus sich herausgeweint,
den er vor der ganzen Welt verbergen musste. Aber das ging nicht. Die Zeiten, in denen er das noch tun konnte, waren vorbei. Er las noch einmal die letzten Zeilen, die Zeilen, die seine Großmutter an ihn persönlich gerichtet hatte.
Vor allem, gib nicht auf! Sei stark. Ich bin immer bei dir .
11
Begegnung im Flammenmeer
B ist du jetzt zufrieden?« Adhara stierte weiter zu Boden. »Sie haben gesagt, sie wollen mich so bald wie möglich loswerden. Eine Nachricht an den Palast in Neu-Enawar soll schon unterwegs sein«, redete Amina unbeirrt weiter. Seit anderthalb
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