Die Feuerkämpferin 02 - Tochter des Blutes
Jeder verdächtigte jeden, die Seuche zu verbreiten.«
Er hielt inne und starrte ins Leere. »Eines Nachts barst das Stadttor mit einem lauten Krachen. Die Verzweifelten, die wir so lange draußen gehalten hatten, drängten herein und verbreiteten Angst und Schrecken. Wir hatten nicht mehr genug Männer, um sie aufzuhalten, und kurz darauf suchten sie die ganze Stadt heim.«
Die Mienen der Anwesenden waren finster geworden, und eine bedrückende Stille hatte sich im Raum breitgemacht.
»Es war wirklich ein Alptraum«, fuhr Dowan fort. »Sie plünderten die Schenken, brachen in Häuser ein und rissen alles an sich, was sie greifen konnten. Wie tollwütige Bestien traten sie auf und kannten keine Gnade, noch nicht einmal gegenüber Frauen und Kindern. Die Folge war, dass sich die Seuche unkontrolliert ausbreitete und wir alle krank wurden. Bis dahin war sie noch auf die Höflinge und die Dienerschaft im königlichen Palast beschränkt gewesen, aber nun griff sie auf alle Stadtteile über.«
»Er ist als Einziger von seiner Einheit mit dem Leben davon gekommen«, warf der Junge ein, der sich offenbar gern in den Vordergrund drängte und von unten zu seinem Anführer aufblickte, so als warte er auf ein Zeichen der Anerkennung von ihm.
Dowan schaute ihn wohlwollend an.
»Einige Kameraden und ich versuchten, den Tobenden Einhalt zu gebieten, aber es war unmöglich. Und als diese Leute dann auftauchten, war alles zu spät.«
»Wen meint Ihr damit?«, fragte Adhara nach.
»Nun, diese Typen, die im sogenannten Rat der Weisen sitzen. Ich habe nie so richtig verstanden, was das eigentlich für Männer sind. Vielleicht ehemalige Frontsoldaten oder auch schlicht Banditen, die sich eigenmächtig zur Regierung von Makrat ernannt haben. Ihre erste Maßnahme war dann, eine Schlägertruppe aufzubauen, die sie hochtrabend Hüter der Weisheit nennen. Das sind Leute, die genauso kriminell sind wie sie selbst und die den Auftrag haben, in der Stadt so richtig aufzuräumen.«
»Ein löbliches Vorhaben«, bemerkte Adrass leicht spöttisch. Dowan blickte ihn schief an. Seine schlimmen Erfahrungen waren noch zu lebendig, um solcherart Bemerkungen ertragen zu können.
»Und was geschah dann mit euch und eurer Einheit?«, fragte Adhara rasch nach, um die Anspannung etwas zu lösen.
»Die wurde zerschlagen. Einmal an der Macht, haben diese angeblich so ›Weisen‹ das Kriegsrecht ausgerufen und eine Flut von Verboten und Vorschriften erlassen, sich selbst aber alle Privilegien vorbehalten. Die allgemeine
Angst tat ein Übriges, und die wenigen, die sich dagegen auflehnten, wurden gehängt. Wer sich, so wie wir, nicht angepasst hat und in den Untergrund gegangen ist, wurde für vogelfrei erklärt. Aber so leicht geben wir uns nicht geschlagen«, fügte Dowan hinzu, wobei er das Kreuz durchdrückte. »Wir sind schon Hunderte, die in den Bereichen unter der Stadt leben und von hier aus den Widerstand organisieren. Es sind alles kleine Einheiten wie die unsere. Wir stehlen Lebensmittel und geben sie an jene weiter, die sich nicht selbst versorgen können, und versuchen mit Anschlägen, die Massenhinrichtungen zu verhindern. Unser Ziel ist es, Makrat zurückzuerobern und die frühere Ordnung wiederherzustellen. Da der König uns offensichtlich vergessen hat, müssen wir eben selbst etwas unternehmen«, schloss er mit ernster Stimme.
Adhara hätte ihnen gern versichert, dass man sie keineswegs vergessen hatte, sondern dass es schlicht und einfach an Soldaten fehlte: Viele waren gestorben und noch viel mehr an der Front im Einsatz. Daher waren die Zurückgebliebenen zahlenmäßig zu schwach, um in dem allgemeinen Chaos für die Einhaltung einer gerechten Ordnung zu sorgen. Allerdings mochte sie den Leuten auch keinen Vorwurf daraus machen, dass sie das Vertrauen in die Regierung verloren hatten.
Ein grollgeladenes Schweigen machte sich wieder in dem Raum breit, und Adhara hatte das Gefühl, etwas dagegen tun zu müssen. »Wenn ich das nächste Mal in Neu-Enawar bin, werde ich den Hof über die Lage unterrichten«, erklärte sie völlig ernst. »Ich werde mich dafür einsetzen, dass man euch die notwendige Verstärkung
schickt, damit ihr die früheren Verhältnisse wieder herstellen könnt.«
Dowan brach in schallendes Gelächter aus. »Ach tatsächlich? Wer bist du denn? Was willst du schon ausrichten? Außerdem erwarten wir gar nichts mehr von denen da oben. Das sind Feiglinge, die sich einfach aus dem Staub gemacht haben. Ach, die
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