Die Feuerkämpferin 03 - Im Land der Elfen
waren ihr Volk, für uns war sie bereit, alles zu opfern, auch ihr Leben. Und so nahm sie an jenem verhängnisvollen Abend den letzten Schluck des Zauberelixiers, in der Gewissheit, dass sie nie mehr von ihrem Einsatz heimkehren würde. Sie würde Kryss töten, so hatte sie es sich vorgenommen, und uns alle damit befreien. Dabei selbst zu sterben war ein Preis, den sie zu zahlen bereit war.«
Aminas Blick fiel wieder auf den Leichnam zu ihren Füßen. Dieses Fleisch war nicht mehr ihre Großmutter. Nun, da er in Frieden ruhen konnte, war er nur noch ein erkalteter Leib. Dubhe selbst war anderswo, war endlich frei.
»Fast einen Monat ist es her, dass unsere Königin für uns starb«, rief sie mit lauter Stimme. »Ihr Vorhaben war nicht von Erfolg gekrönt, und der Elf, den sie töten wollte, ließ ihren Leichnam auf den höchsten Zinnen der Turmstadt Salazar zur Schau stellen. Dann sandte er Boten aus, damit alle erführen, dass unsere Herrscherin durch seine Hand gestorben war und er nun nach Belieben
über ihren Leichnam verfügen konnte. Sie war zu seinem Besitz geworden. Bis gestern.«
Aminas Kehle begann zu schmerzen, doch durch das Schweigen ihrer Zuhörer fühlte sie sich aufgefordert, weiterzureden.
»Niemand fand den Mut, sich nach Salazar aufzumachen und sie heimzuholen. Nach dem ganzen Unheil, das uns, vor allem aber das Land des Windes heimgesucht hat, fühlten wir uns schwach und unfähig, uns gegen das Schicksal zu stemmen. Wir glaubten, der Krieg sei endgültig verloren, und es bleibe uns nichts anderes mehr übrig, als machtlos auf den Tod zu warten. Wir haben uns in unseren Häusern verkrochen und uns mit dem Ende abgefunden. Und währenddessen hing unsere Königin die ganze Zeit über an den Zinnen der vom Feind besetzten Stadt.«
Sie holte Luft. Jetzt kam der schwierigste Teil.
»Aber ich wollte mich nicht damit abfinden. Denn eben das war es, was mich meine Großmutter gelehrt hat, an dem Abend, als sie das Lager verließ, um sich ganz allein dem Feind zu stellen. Sie wollte uns zeigen, dass auch Kryss besiegt werden kann. Und ich habe daran geglaubt so wie sie.«
Sie trat einen Schritt näher an die Leute heran.
»So machte ich mich auf den Weg nach Salazar, in Begleitung eines Helden namens Baol: Gemeinsam hielten wir uns alle Feinde vom Leibe und stiegen auf das Dach der Turmstadt. Denn irgendjemand musste es tun. Etwas musste geschehen. Zu lange haben wir alle gelitten, die Seuche hat uns gegeneinander aufgebracht, hat uns ängstlich und misstrauisch gemacht,
doch die Krankheit ist besiegt! Das heißt: Nichts, keine Katastrophe, ist unausweichlich! Kryss schien nur unbesiegbar, weil wir aufgehört hatten zu kämpfen. Wir alle. Aber vielleicht habe ich einen Anfang gemacht, obwohl ich fast noch ein Kind bin. Ich habe ein Zeichen gesetzt, weil es mir gelungen ist, dem Feind seine kostbarste Beute zu entreißen. Und wenn ich das geschafft habe, ist es uns allen möglich, unsere Feinde zu besiegen und zu verjagen!«
Das Echo ihrer Worte hallte von den Dächern der Stadt wider.
»In diesem Krieg kommt es auf jeden einzelnen von uns an. Wir alle sind bedroht. Und keine Angst zu haben ist ein erster Schlag gegen die Feinde, ein Schlag, den jeder schaffen kann. Keine Angst zu haben ist ungeheuer wichtig in diesen Zeiten, diese Mission kann jeder erfüllen, muss jeder erfüllen. Wir werden unsere Königin ehrenvoll bestatten, weil wir immer noch ihr Volk sind. Und wir werden ihrem Beispiel folgen. Vielleicht stehen die Götter nicht auf unserer Seite, aber auf Kryss’ Seite stehen sie auch nicht: Die Götter stehen dem bei, der das Schwert zur Hand nimmt und es nicht mehr sinken lässt bis in den Tod, um sich selbst und sein Volk zu verteidigen.«
Langsam zückte sie ihren Dolch, der immer noch blutbesudelt war. Von Erschöpfung und Schmerz gezeichnet, hatte sie eines der wichtigsten Gebote versäumt, die sie bei den Schattenkämpfern gelernt hatte: die eigenen Waffen immer sorgfältig zu pflegen. Doch in diesem Moment war das unwichtig, und außerdem hatte auch dieses getrocknete Blut auf der Klinge einen Sinn.
»Ich kämpfe mit der Königin!«, rief sie.
Die ersten Stimmen antworteten ihr, schwach, gedämpft. Vielleicht kamen sie von Kindern, die diese besondere Atmosphäre und der Ruf des jungen Mädchens erregt hatten. Doch weitere, erwachsenere Stimmen schlossen sich an, zunächst fast flüsternd, dann immer überzeugter.
»Ich kämpfe mit der Königin!«
Ein Bekenntnis, ein Ruf,
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