Die Feuerkämpferin 03 - Im Land der Elfen
Amina gewesen, hätte sie in Salazar bei dem sinnlosen Versuch, Baol zu retten, ihr Leben verloren. Doch Dubhe hatte ihr beigebracht, dass man in manchen Situationen zum Weiterleben verurteilt war, auch wenn man es eigentlich nicht ertragen konnte. Und diese Lehre ihrer Großmutter war ihr durch Baol noch tiefer ins Gedächtnis eingebrannt worden.
Ich werde dich niemals vergessen , war ihr letzter Gedanke, bevor sie einschlief. Nur ein paar Handbreit oberhalb von ihr ruhte der Leib ihrer Großmutter auf dem Drachenrücken.
Am nächsten Morgen war er mit einer dicken Schneeschicht bedeckt. Sie befreite ihn von diesem Leichentuch und fuhr dabei sanft die Formen der geliebten Frau nach. Es war, als entdecke sie sie noch einmal neu, bevor sie ihr endgültig Lebewohl sagen musste. Die vielen Tage, die der Leichnam auf der Terrasse von
Salazar zur Schau gestellt worden war, hatten seinem Aussehen nicht geschadet: Wahrscheinlich das Ergebnis eines Zaubers, mit dem man die Leiche konserviert hatte.
Auch wenn es mit Sicherheit nicht Barmherzigkeit war, die dem zuständigen Zauberer dabei die Hand geführt hatte, war Amina ihm doch dankbar. Der Anblick eines verwesten Körpers wäre ihr unerträglich gewesen. Wie eine letzte Schmähung wäre es gewesen, eine Mahnung, dass letztendlich alles stirbt und verfault und dass nichts übrig bleibt als Staub und eine immer schwächer werdende Erinnerung.
Der Rest ihrer Reise verlief ruhiger, doch von oben konnte Amina das ganz Ausmaß ihrer militärischen Misere betrachten. Sie war nicht lange fort gewesen, doch schon wieder hatte sich die Situation verändert. Ein größerer Umweg wurde notwendig, weil die Elfen mittlerweile weite Gebiete des Großen Landes erobert hatten und nur noch wenige Meilen vor Neu-Enawar standen. Allerdings hatte ihr Bruder seine dortige Residenz bereits aufgegeben und wieder nach Makrat verlagert. Durch seinen Aufbruch, so verständlich er sein mochte, war der Widerstand in diesem Gebiet möglicherweise noch weiter geschwächt worden.
In weiten Bögen kreiste sie über der Stadt, damit alle sie sehen konnten, und stellte sich dabei vor, wie die Offiziere am Fenster des Heerespalastes standen, wie die Menschen vor ihre Häuser traten und bewundernd nach oben blickten, wo der stolze Drache brüllend seine Kreise zog. Sie wollte, dass sie alle herauskämen und sich draußen versammelten. Ein kleiner Schritt, der
aber zum Funken werden konnte, mit dem die Rückeroberung begann.
Auf der Brustwehr des Ratspalastes landete sie und ließ ihren Drachen wieder und wieder brüllen. Zunächst noch verhalten, dann immer zahlreicher strömten die Bewohner der Stadt herbei. Mit rotgeweinten Augen, aber stolzem Blick beobachtete Amina sie. Sie wartete, bis sich eine ansehnliche Menge versammelt hatte, bis auch die Kommandanten und Offiziere und ihre Kameraden von der Organisation der Schattenkämpfer herbeigelaufen waren. Erst dann stieg sie vom Drachen und zog, unter Aufbietung aller Kräfte, den Leichnam ihrer Großmutter vom Rücken des Tieres. Die Leute schienen sie auf Anhieb wiederzuerkennen, denn zunächst hörte sie verblüfftes Gemurmel, bevor andächtige Stille einsetzte.
Sanft bettete Amina den Leichnam auf den Boden und legte Dubhes Arme gekreuzt über der Brust zusammen. Sie hatte keine Angst, obwohl es jetzt eine große Menge war und sie noch nie in der Öffentlichkeit gesprochen hatte. Sie zeigte auf den Leichnam.
»Vor fast einem Monat machte sich unsere Königin ganz allein auf den Weg, um den Feind herauszufordern.« Sie schwieg und wartete, dass die Leute ihre Worte in ihrer ganzen Bedeutung erfassten. »Ein ganzes Leben lang hat sie sich für uns aufgerieben, hat uns beschützt, regiert und geliebt, als unsere Herrscherin und auch Anführerin der Truppe, der auch ich angehöre: dem Orden der Schattenkämpfer. Eine Zeit lang war sie in einer Mission unterwegs, von der nur sie allein wusste. Viele von euch werden wahrscheinlich von
dem mysteriösen Attentäter gehört haben, der hohe Befehlshaber des Elfenheeres aus dem Weg räumte. Dieser mysteriöse Attentäter war sie.«
Die Menge schwieg, und Amina kostete die Stille aus.
»Sie hatte beschlossen, einen Zaubertrank einzunehmen, der ihr für die Stunden ihrer Mission die Jugend zurückgab. Auf diese Weise beschützte sie uns alle weiterhin in einem einsamen, verzweifelten Kampf.« Aminas Stimme zitterte. »Sie wusste, dass dieser Trank sie ins Grab bringen würde, aber das war ihr gleich: Wir
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