Die Feuertaufe
die Leitung vom Casimir Depot nicht übertragen, weil sie dazu neigte, Dinge einfach als gegeben anzunehmen. Und dass dieses fragliche Schiff nicht in ihrer Datenbank verzeichnet war, gefiel ihr überhaupt nicht, Jessyk-Transponder hin oder her. Andererseits …
»Haben Sie schon irgendetwas gesagt?«
»Noch nicht. Aber sie sind auch gerade erst eingetroffen.«
»Ja, klar. Und wie weit sind sie noch entfernt?«
»Ungefähr drei Lichtminuten.«
»Und wie lange sind sie schon im Normalraum? Fünf Minuten vielleicht?«
»Oh!« Watanabe runzelte die Stirn, und Sokolowska stieß ein Schnauben aus.
»Vielleicht bin ich ja ein bisschen paranoid, aber ich denke, wir sollten Kontakt mit ihnen aufnehmen«, sagte sie. »Ich weiß ja auch, dass ihr Transponder die richtige Kennung ins All hinausplärrt, aber das heißt noch lange nicht, dass sie wirklich diejenigen sind, als die sie sich ausgeben.«
»Genau. Ich kümmere mich darum.«
»Und wenn Sie schon dabei sind, dann sorgen Sie doch auch dafür, dass das Bereitschaftsschiff Bescheid weiß. Wer hat im Moment Dienst? Lawson oder Tsien?«
Watanabe drückte einen Knopf, betrachtete irgendetwas außerhalb des Aufzeichnungsbereichs seines Sensors und hob dann wieder den Kopf.
»Lawson«, sagte er.
»Na wunderbar!«
Sokolowska verdrehte die Augen. Von Emmet Lawson konnte man wirklich viele Dinge behaupten, aber mit einem echten Raumoffizier konnte man ihn wahrhaftig nicht verwechseln. Eine Zeit lang hatte er recht gute Arbeit geleistet, aber in letzter Zeit schien er die Dinge ein wenig schleifen zu lassen, und als einen Ausbund an Leistungsfähigkeit hätte man ihn ohnehin nie bezeichnen können. Zusammengenommen führte das dazu, dass Sokolowska nicht sonderlich viel Vertrauen darauf setzte, er werde bei einem echten Notfall richtig reagieren.
»Dann informieren Sie ihn, dass wir es mit einem außerplanmäßigen Besuch zu tun haben«, sagte sie. »Tun Sie mir den Gefallen, und betonen Sie das Wort ›außerplanmäßig‹, wenn Sie mit ihm reden. Vielleicht sollten Sie auch noch ›unidentifiziert‹ hinzusetzen. Möglicherweise weckt das ja seine Aufmerksamkeit.«
»Mache ich«, versprach Watanabe mit einem schiefen Grinsen. Sokolowska und er mochten nicht immer einer Meinung sein, aber über Emmet Lawson dachten sie in etwa das Gleiche. Dieser Gedanke brachte Sokolowska dazu, erneut zu schnauben. Dann warf sie einen Blick über ihre Schulter hinüber zu dem Mann, der immer noch gehorsam im Bett auf sie wartete.
Das war noch etwas, das Watanabe und sie gemein hatten, ging es ihr durch den Kopf.
»Wie lange noch bis zum Eintreffen?«, fragte sie.
»Die sind mit gerade einmal zwölfhundert Kps über die Hypergrenze gekommen, und sie kommen nur auf etwa zweihundert Gravos. Sagen wir … zwei Stunden und fünfundvierzig Minuten, plus/minus ein paar Sekunden.«
»Dann haben wir ja noch ein bisschen Zeit, oder?« Ihr Lächeln hatte etwas Hungriges. »Reden Sie mit denen! Finden Sie heraus, wer zum Teufel die eigentlich sind! Falls Ihnen irgendetwas komisch vorkommt, melden Sie sich sofort wieder bei mir! Sonst bin ich in … na ja, sagen wir dreißig Minuten auf dem Kommandodeck.«
»Verstanden.« Watanabes Grinsen wurde noch breiter. »Viel Spaß noch!«
»Die Plattform ruft uns, Ma’am.«
Es entging Honor nicht, dass Lieutenant Boyd jetzt wieder fast so klar und konzentriert klang wie sonst. Honor hatte zwar damit gerechnet, dass sich der Signaloffizier wieder fangen würde, wenn es erst einmal richtig losging, aber sie war trotzdem erleichtert, es zu hören.
»Haben sie bislang unsere Kennung akzeptiert?«, erkundigte sie sich.
»Jawohl, Ma’am. Zumindest bezeichnen sie das Schiff im Augenblick als Rapunzel .«
»Dann werden wir wohl herausfinden müssen, wie gut die Aufklärung unserer Freunde wirklich ist«, sagte Honor ruhig. »Legen Sie den Ruf bitte auf meinen Schirm!«
»Aye, aye, Ma’am.«
Einen Moment später erschien auf Honors Display das Gesicht eines recht jungen Mannes mit braunem Haar und grünen Augen. Eigentlich wirkte er ganz sympathisch, doch Äußerlichkeiten konnten täuschen, und was Honor hier sah, passte genau zu der Beschreibung eines gewissen Julian Watanabe, von dem ihr der Ballroom schon berichtet hatte. Wolfe Tone hatte erklärt: »Er sieht zwar aus wie ein unschuldiger Chorknabe, aber das ist ein wirklich kranker Sadist. Diesen Kerl wollen wir schon seit langer Zeit kennenlernen.«
Ich könnte mir vorstellen, dass du ein
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