Die Feuertaufe
einhielten.
»Wohin fahren die, Vincent?«, fragte Michael nach. »Ich nehme doch wohl an, dass die beiden das gleiche Ziel haben, oder?«
»Jawohl, Sir. Beide steuern den Colonial Memorial Spaceport an.«
»Nein!«, keuchte Judith auf. Sie war aufgesprungen und hielt schon auf die Tür zu.
Dinah hielt sie fest. »Judith, das ist zwanzig Minuten her. Es bringt überhaupt nichts, ihnen jetzt blindlings hinterherzurennen.«
Widerstrebend hielt Judith inne. Sie blickte zu Michael hinüber. Der Kronprinz hingegen schaute gerade Valless an.
»Jawohl, Sir«, beantwortete der Lieutenant die unausgesprochene Frage. »Ich habe auf die Aufzeichnungen sämtlicher Überwachungskameras des Raumhafens zugegriffen. Bislang aber hat keiner unserer mutmaßlichen Entführer das Parkhaus verlassen und den eigentlichen Raumhafen betreten.«
»Gibt es in dem Parkhaus keine Kameras?«, fragte Todd nachgerade empört.
»Doch, die gibt es, Lieutenant Liatt«, antwortete Valless. »Aber die decken das Gelände nicht vollständig ab. Ich gehe davon aus, dass die Entführer bereits im Vorfeld Ausschau nach derlei toten Winkeln gehalten und entsprechende Vorbereitungen getroffen haben.«
»Nicht unvernünftig«, bestätigte Todd. »Aber wo sind sie jetzt hin? Haben sie den Raumhafen betreten oder das Parkhaus nur dazu genutzt, unbemerkt das Fahrzeug zu wechseln?«
Wieder hatte Judith das fast übermächtige Bedürfnis, vor Entsetzen und Frustration laut zu schreien. Sie wollte die anderen darauf hinweisen, dass es hier nicht um ein intellektuell anspruchsvolles Rätsel ging, das es zu lösen galt, sondern um ihre Tochter – um ein lebendes, atmendes menschliches Wesen! Dinahs Griff um ihren Arm verstärkte sich, und Judith nickte. Zu schreien würde auch nicht helfen, genauso wenig, wie Tränen und Proteste einst Ephraim Templeton davon abgehalten hatten, seine zwölf Jahre alte »Gemahlin« zu vergewaltigen.
Denk nach! , herrschte sie sich an. Vergiss jetzt, dass es hier um Ruth geht, und denk nach!
»Lieutenant Valless«, sagte sie schließlich. »Haben Sie ein gutes Bild von dieser Sozialdienst-Mitarbeiterin gefunden?«
»Sonderlich gut sind die Aufzeichnungen nicht«, gestand er. »Ich glaube, dass sie genau darauf geachtet hat, wo sich die Kameras befinden, und dann dafür gesorgt hat, dass ihre Hand oder ihr Haar immer genau dann ›zufälligerweise‹ ihr Gesicht verdeckt haben. Vielleicht ist Ihnen schon aufgefallen, dass der Ü&J-Mitarbeiter es mit seiner Uniformmütze und seinen Paketen ganz genauso gehalten hat.«
»Im Mount Royal Palace würde dieser Trick nicht funktionieren«, sagte Michael, »aber für ein einfaches Wohngebäude reicht das wohl voll und ganz aus. Trotzdem, Vincent: Geben Sie mir alles, was Sie haben. Judith, wie ist dein Phantombild geworden?«
»Ganz gut«, erwiderte sie. »Denke ich.«
»Dann schick mir das auch«, wies Michael sie an. »Ich kombiniere es dann mit dem, was ich von Vincent bekomme. Ein paar Aufnahmen von Ruth habe ich schon hier.«
Als die neuen Daten eintrafen, fingerte Michael noch einmal kurz an seinem Minicomp herum, dann nickte er Valless zu.
»Also gut, Vincent! Greifen Sie auf die Daten aller Fahrzeuge zu, die sich vom Parkhaus aus in den Verkehr zum Raumhafen einfädeln – und achten Sie auch auf Fußgänger, neu am Raumhafen eintreffende Reisende und all so etwas. Ich habe schon ein Suchprogramm eingerichtet, das nach jeder einzelnen unserer drei Zielpersonen Ausschau hält – getrennt oder gemeinsam. Dann sehen wir ja, was wir finden.«
»Getrennt?«, fragte Dinah.
»Klar! Wir wissen ja nicht, ob die ganze Zeit über die gleichen Entführer an dieser Operation beteiligt sind. Die Frau vom SD und der Ü&J-Mitarbeiter könnten Ruth ja auch jemand anderem übergeben haben.«
»Du hast gerade ›Ruth‹ gesagt«, merkte Todd neugierig an. »Meinst du nicht ›die Kiste‹?«
»Nein, eigentlich nicht«, erwiderte Michael. »Du bist schon zu lange bei der Navy, Junge! Selbst Routine-Sicherheitsscans würden sofort bemerken, wenn sich in einer solchen Verpackung ein Kind befände. Ich vermute, dass die ein paar Vorkehrungen getroffen haben, um Ruths äußeres Erscheinungsbild zu verändern, und dann werden sie die Kleine als ›schlafende Passagierin‹ durch die Kontrollen bringen. Keiner der gelangweilten Sicherheitsdienstler wird da auch nur ein zweites Mal hinschauen! Die sind doch einfach nur dankbar, wenn so ein Kind nicht dauernd heult oder
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