Die Feuertaufe
gefärbt, und andere Kleidung haben sie ihr auch verpasst. Solange sie schläft, wird sie nichts sagen, also kann sie auch nichts verraten. Und« – ein dünnes Lächeln – »Zeit haben sie dabei auch noch verloren.«
Er schüttelte den Kopf, um Judith davon abzuhalten, noch weitere Fragen zu stellen. »Ich möchte schauen, wohin sie gehen.«
Niemand sagte ein Wort, als das Bildmaterial immer wieder neue Korridore zeigte, Zugangsröhren, Tunnel. Die kleine Familie verlangsamte nicht ihre Schritte, aber sie beeilte sich auch nicht sonderlich. Sie verhielten sich genau so, wie man das von ihrem äußeren Erscheinungsbild auch erwarten würde: Sie waren eine leidlich gut situierte Familie auf dem Weg zu ihrem Schiff.
Der Vater mochte für eine Firma tätig sein, die auf Sphinx oder Gryphon ansässig war, und an diesem Tag hatte er seine Familie in die City mitgenommen. Ein kleiner Ausflug. Und jetzt würden sie mit dem firmeneigenen Schiff wieder nach Hause fahren.
Vielleicht waren sie auch wohlhabend genug, um ein eigenes Schiff zu besitzen. Interplanetarschiffe waren längst nicht so teuer wie hyperraumtüchtige Fahrzeuge. Je wohlhabender das Sternenkönigreich im Allgemeinen wurde, umso weniger bemerkenswert waren solche »Pendlerschiffe«, ja, sie konnten sogar als »wirtschaftlich« angesehen werden, wenn man zusätzlich den Aspekt der Zeitersparnis berücksichtigte.
Jetzt verlangsamte Michael die Bildwiedergabe. »Shuttle-Landeplatz Siebenundzwanzig. Und der dortige Shuttle war als die Banshee von Sphinx registriert. Vincent kann …«
»Schon dabei, Sir.«
Er klang so höflich wie immer, doch Judith bemerkte erfreut, dass eine gewisse Aufregung in der Stimme des Lieutenants mitschwang. Vincent Valless hatte sich ganz seiner neuen Aufgabe verschrieben.
»Der Shuttle gehört den Highland Mining Associates von Gryphon. Die haben überall im Doppelstern-System Niederlassungen, Sir. Dazu gehören auch Verwaltungsgebäude und Filialen. Wahrscheinlich können wir also leider nichts darüber aussagen, wohin die Banshee letztendlich fahren wird. Im Flugplan, den die beim Astro-Lotsendienst eingereicht haben, ist als Ziel nur ›Sphinx‹ angegeben.«
Michael nickte und stand auf.
»Also gut! Die Überfahrt dauert mindestens vier Stunden, und der Shuttle ist erst vor drei Minuten gestartet. Wir sollten jetzt loslegen. In meinen Flugwagen passen wir alle zusammen.«
Er blickte Dinah an, doch die ältere Frau schüttelte den Kopf.
»Nein. Ich komme nicht mit. Ich bleibe hier und wehre alle neugierigen Fragen ab. Wenn Judith mit ihren Freunden auf einen Ausflug geht, wird das niemanden überraschen.«
»Selbst wenn sie ihre Tochter dabei nicht mitnimmt?«, fragte Valless nach. »Wir wollen keinen Alarm auslösen, und ich weiß, dass die Gesetzeshüter dieses Gebiet hier ziemlich genau im Auge behalten.«
Wieder schüttelte Dinah den Kopf, und Judith hatte den Eindruck, als wollte ihre ältere Gefährtin etwas verbergen, was ihr unter diesen Umständen ein gänzlich unangebrachtes Lächeln zu sein schien.
»Nein, ich glaube nicht, dass irgendjemand es für sonderbar halten wird, wenn Judith ohne Ruth aufbricht – vor allem, wenn ich jeden Neugierigen glauben mache, das Kind sei bei mir. Geht mit Gott, meine Freunde, und bringt unser verlorenes Schäfchen wohlbehalten zurück! Ich werde für euch beten.«
Michael Winton deutete eine Verneigung an. »Ich danke Ihnen, Dinah. Wir werden jedes Gebet brauchen können, das Sie zu bieten haben. Ich lasse Ihnen zwei sehr wichtige Dinge hier. Das eine ist ein Prioritäts-Code, über den Sie uns jederzeit erreichen können, falls irgendwelche Schwierigkeiten auftreten. Das andere ist ein kurzer Bericht, den ich vorhin diktiert habe. Damit erkläre ich meiner Schwester, warum ich welche Entscheidungen gefällt habe. Sollte irgendetwas geschehen, sodass ich nicht in der Lage bin, selbst dazu Stellung zu beziehen, dann möchte ich, dass Sie ihr diesen Bericht aushändigen.«
Dinah nahm diese Anweisungen gelassen hin und scheuchte die anderen dann mit einer Handbewegung aus Judiths Apartment, als wären sie eine kleine Klasse widerspenstiger Schulkinder.
»Ich kümmere mich darum. Jetzt geht! Und beeilt euch!«
Michael war froh, dass Judith das alles so mehr oder minder ruhig aufgenommen hatte und nicht einfach zusammengebrochen war. Er war zwar der Ansicht, sie hätte unmittelbar vor einem Zusammenbruch gestanden, doch sie hatte es doch noch geschafft, die Beherrschung
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