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Die Fieberkurve

Die Fieberkurve

Titel: Die Fieberkurve Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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Name richtig, nicht wahr?«
    »Ja, ganz richtig.« Schnell, während der Ungemütliche den Rücken zeigte, schnell, schnell das Nastuch. Das Leder innen im Béret war pflätschnaß. Und das Nastuch! Das hatte man davon, wenn man eine fleißige Frau hatte, die selber Monogramme stickte. Ganz deutlich in einer Ecke: J. S. – Jakob Studer... Man konnte eben nicht an alles denken.
    Die Stiege hatte kein Geländer und so wurde es ein unangenehmer Aufstieg... Droben traten die beiden in ein sehr hohes und sehr helles Zimmer. Quadratisch. Weißgekalkt... Wie jener Wohnraum im Hause auf dem Spalenberg... Der Eingangstüre gegenüber öffnete sich eine riesige Glastür, die auf eine geländerlose Terrasse ging. Die Glastüre stand offen und Sonnenlicht überschwemmte den Raum. An den Wänden hingen marokkanische Teppiche, rot, schwarz, weiß... Und über diesen Teppichen Gestelle, auf denen Bücher standen...
    »Setzen Sie sich, Herr Inspektor Joseph – so ist's doch richtig? – Herr Inspektor Fouché. Ich freue mich, einen Lyoner begrüßen zu dürfen. Wie geht es Locard?«
    Nun ist Dr. Locard eine Leuchte der Kriminalistik – und so konnte Studer Bescheid geben. Er hatte Locard vor einem Jahre gesprochen.
    »Danke, gut, er ist immer noch der gleiche...« Und begann eine Geschichte, die er von Dr. Locard hatte.
    »Sie haben aber gar nicht unsere Aussprache«, sagte Lartigue, ohne aufzusehen. Er schenkte die Gläser voll.
    »Ja... ganz richtig...«, stotterte Studer. »Ich war ja auch nur abkommandiert nach Lyon. Ursprünglich stamme ich aus Bellegarde. – Ja...«
    »Ah, dann sind Sie auch an der Schweizer Grenze daheim«, stellte der Capitaine fest.
    »Jaja, gewiß...« Die Bestätigung kam zu eilig.
    »Gut, gut. Und was möchte Seine Exzellenz der Herr Kriegsminister gerne erfahren? Sie müssen nämlich wissen, daß ich sehr schlechte Noten habe, darum hat man mich auch in diesen Posten versetzt. Aber natürlich, wenn ich mich nützlich erweisen kann...«
    »Es handelt sich...«, sagte Studer und stockte. Das Schweigen dauerte lange. Schließlich hatte der Capitaine Mitleid mit seinem Gast. »Sie werden müde sein, Inspektor«, meinte er und ließ den höhnischen Ton fallen. »Wissen Sie, das beste wird sein, Sie legen sich ein wenig hin. Mein Bett steht Ihnen zur Verfügung, bis wir ein anderes für Sie aufgetrieben haben. Ich habe zu tun und will Sie jetzt allein lassen. Schlafen Sie gut.«
    ...Es gab keinen andern Ausdruck: Man hatte sich in die Nesseln gesetzt. Das Ganze war widerlich. Es war widerlich, unter falschem Namen auftreten zu müssen, man fühlte sich bedrückt, unfrei, auch gehemmt in all seinen Bewegungen. Und es war auch widerlich, diesen Capitaine Lartigue anzuschwindeln. Denn dieser Capitaine war ein feiner Kerl... Studers Menschenkenntnis war nicht aus Büchern erlernt, sie stützte sich nicht auf Körperformen, Schriftbilder, Typenlehren oder Phrenologien. Er hatte sich angewöhnt, die Menschen einfach auf sich wirken zu lassen – und dann verließ er sich auf seinen Instinkt.
    Dieser Lartigue! Nur die Art, wie er zu dem Legionär gesprochen hatte: »Mein Kleiner...« hatte er ihn genannt. Und an der Tür des Postens die Aufforderung zum Boxkampf!...
    Er hatte einen runden Schädel mit kurzen blonden Haaren, dieser Lartigue, dazu blaue Augen in einem breiten Gesicht. Das Kinn sprang vor.
    In der Stille tönte von draußen der langgezogene Ruf eines Horns. Drei tiefe Töne, dann, eine große Terz höher, noch einmal vier lange Töne, und der letzte wurde ausgehalten und verhallte traurig...
    Studer erhob sich, trat hinaus auf die Terrasse und einen Augenblick schwindelte ihn, denn er vermißte das Geländer. Aber dann nahm ihn das Schauspiel gefangen, das im großen Hofe aufgeführt wurde.
    Die Kompagnie war im Carré angetreten. Ein Mann mit gekräuseltem Bart, der in der Mitte des Vierecks stand, rief ein Kommando, als er den Capitaine um die Ecke einer der Baracken kommen sah. Reglos wie Mauern standen die Fremdenlegionäre. Blaue Leinenanzüge, um die Hüften graue Flanellbinden. Capitaine Lartigue winkte mit der Hand ab, sagte ein paar Worte, die der Wind, der von den roten Bergen im Norden kam, sogleich verwehte. Die Mauern lockerten sich. Da schlüpfte durch einen Zwischenraum die Gazelle, stellte sich neben den Capitaine und ließ sich streicheln. Plötzlich lachte die ganze Kompagnie. Eine schwarze Walze rollte mit rasender Geschwindigkeit heran, Staub wirbelte auf, die Walze kläffte,

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