Die fiese Meerjungfrau
wenn wir in den Kampf segeln.«
Schnee zuckte mit den Achseln. »Vielleicht solltest du dir eine hässlichere Mannschaft zulegen.«
»Ist er nicht sowieso ein bisschen zu alt für dich?«
Schnee beobachtete, wie Jeffreys sich mit dem Großsegel beschäftigte, wo er die Taue überprüfte, um sich zu vergewissern, dass sie der Belastung durch die hohe Geschwindigkeit des Schiffes gewachsen waren. Der Mann konnte nicht älter als dreißig sein. Dank des Preises, den Schnee für gewisse Zauber bezahlt hatte, sah sie mehrere Jahre älter aus als er. Sie steckte sich die Haare hinter die Ohren und tat so, als bemerke sie die weißen Strähnen nicht. »Ich werde in ein paar Monaten zwanzig!«
Bea blickte aufs Meer hinaus. Die Sonne war fast untergegangen und verbrämte die Wellen mit Feuer. »Was macht deine Verletzung?«
»Es geht mir gut«, sagte Schnee automatisch. Nach dem Kampf in der Kapelle waren ihre Kopfschmerzen schlimmer geworden, und das Stampfen des Schiffes trug nicht dazu bei, ihr Sehvermögen zu verbessern, aber sie würde wieder gesund werden.
»Du bist eine schlechte Lügnerin.« Beas Lächeln nahm ihren Worten die Schärfe. »Dein Flirten wird jedes Mal verzweifelter, wenn du durcheinander bist.«
Schnee zog sich den Hut tiefer in die Stirn. »Was meinst du damit, ›verzweifelter‹?«
»Talia sagte mir, dass du und Morveren viel Zeit miteinander verbracht habt.«
»Talia redet zu viel.«
Das trug ihr ein Lachen von Beatrice ein. »Oh, ja! Talia ist die Geschwätzige!«
Schnee hasste es, verlegen zu sein. Ihre blasse Haut machte das geringste Erröten für jeden mit Augen im Kopf offensichtlich. »Morveren hat mir zu zaubern beigebracht. Ich hatte vorher noch nie eine Lehrerin, jedenfalls keine wie sie. Ich hätte bemerken müssen, was sie war. Sie hätte uns fast alle umgebracht, um uns daran zu hindern, Lirea wehzutun, aber selbst da wünschte ein Teil von mir noch -« Sie brach ab. »Morveren hat ihre Zauberei bei dem Becher in der Kapelle benutzt, und mir entging es.«
»So wie ich die Dinge verstehe, hat Morveren mehr als zweihundert Jahre Übung«, sagte Beatrice. »Dich trifft keine Schuld.«
Wieder wurde Schnee rot, als sie sich daran erinnerte, was genau Morveren gesagt hatte, um sie abzulenken. Wie lange hatte Morveren über Talias Gefühle Bescheid gewusst? Schnee sah sich nach Talia um und entdeckte sie schließlich am Bug zusammen mit Danielle, wo sie die Wellen betrachteten.
Bea folgte ihrem Blick; zum Glück interpretierte sie ihn falsch. »Talia hat Morveren von Anfang an misstraut, nehme ich an?« Als Schnee nickte, lachte sie nur. »Talia misstraut am Anfang jedem. Sogar dir selbst, wenn mich mein Gedächtnis nicht trügt.«
»Ich war nie besonders gut darin, jemandes Charakter zu durchschauen«, gestand Schnee. »Alle anderen wussten auch, dass meine Mutter böse war - alle außer mir. Als ich jung war, hörte ich die Dienstboten tuscheln. Sie machten mich so wütend! Ich fand, sie seien gehässig und undankbar, schmutzige kleine Bürgerliche, die nicht begriffen, wie groß und mächtig sie tatsächlich war.« Sie rieb sich die Augen.
»Talia erwartet, das Dunkle in den Menschen zu sehen, und deswegen ist es wahrscheinlicher, dass sie es auch findet«, sagte Beatrice.
»Manchmal frage ich mich, ob der Grund, weshalb ich nicht sehen konnte, wie Morveren wirklich ist, darin zu finden ist, dass -«
»Du bist nicht wie sie.« Bea strich Schnee die Haare aus dem Gesicht. »Und du bist auch nicht wie deine Mutter. Ich vertraue dir.«
Schnee schloss die Augen und dachte daran, wie sie in Talias Verstand gegriffen und ihre Gedanken manipuliert hatte. »Ich nicht.«
»Ich weiß.« Bea küsste sie auf die Wange. »Jetzt geh! Deine Freundinnen brauchen dich. Besonders Danielle, ihrer grünen Gesichtsfarbe nach zu urteilen.«
*
Der größte Teil der Nacht verstrich ohne Zwischenfälle, nachdem Danielle erst einmal eine ganze Kanne von Schnees Ingwertee getrunken hatte. Mithilfe von Magie kühlte Schnee das Glas, und bei dieser Temperatur schmeckte der Tee überraschend gut. Natürlich forderte so viel Tee seinen Preis, und Danielle wachte mehrmals in dieser Nacht auf und besuchte den Bugabort.
Einmal machte sie unterwegs halt, um nach Beatrice zu sehen, die auf Deck geblieben war. Wenn die Königin nicht am Ruder stand, schlief sie in einer hastig hergerichteten Hängematte, nahe beim Steuerrad und Kapitän Hephyra. Talia blieb die ganze Nacht bei ihr und versorgte sie mit
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