Die fiese Meerjungfrau
Markiernadeln dienten.
Der Wind heulte, und die Phillipa legte sich auf die Seite. Einer der Steine rutschte von der Karte und fiel auf den Boden. Talia hielt den reich bestickten Stuhl hinter dem Schreibtisch fest, bevor er umkippen konnte.
Schnee zwängte sich an ihr vorbei, um den Stuhl für sich zu beanspruchen. Der Schreibtisch selbst war am Boden befestigt, um ihn am Wegrutschen zu hindern. Sie tippte mit dem Finger auf die Karte. »Der Wind ist ganz falsch für diesen Teil des Meeres. Dieses Wetter ist zauberischen Ursprungs, genau wie der Sturm, der uns aus Lorindar gejagt hat.«
Danielle hielt sich an der anderen Seite des Tischs fest, um das Gleichgewicht zu wahren. Die Linien und Pfeile, die die Karte bedeckten, ergaben für sie keinen Sinn, aber sie vertraute Schnee.
»Könnte Morveren diejenige sein, die die Stürme kontrolliert?«, fragte Talia, die das Stampfen des Schiffes gar nicht zu bemerken schien und mit gebeugten Knien die ungleichmäßigen Bewegungen mühelos ausglich.
»Sie hätte sie nicht die ganze Strecke bis nach Lorindar schicken können.«
»Wie sieht's mit Lirea aus?«, wollte Lannadae wissen. »Wenn sie uns hierher gefolgt ist ...«
»Ich glaube nicht«, entgegnete Schnee. »Dieser Sturm ... er fühlt sich irgendwie beständig an. Er ist schon eine Weile hier. Lannadae, du hast uns erzählt, dass, als du versucht hast, Morveren zu finden, das Meer stürmisch wurde und die Wellen dich gegen die Felsen schlugen.«
»Das stimmt.« Lannadae zog sich hoch, um sich die Karte anzusehen, wobei sie die Schwänze v-förmig hinter sich spreizte, um die Balance zu halten. Sie tippte mit ihrem halb aufgegessenen Fisch auf die Karte. »Denkst du, der Wind hat mich absichtlich von ihr ferngehalten?«
Ein weiterer Stein rutschte vom Schreibtisch, und die Karte rollte sich über Schnees Spiegel zusammen. »Ich weiß es nicht«, sagte Schnee. »Aber er fängt echt an, mir auf die Nerven zu gehen.«
»Die Phillipa ist robust, aber wenn der Wind uns gegen die Felsen wirft, werden wir trotzdem sinken. Wenn dieses Ding Morveren beschützt, dann müssen wir uns den Weg hindurchkämpfen«, sagte Talia.
Schnee legte den Kopf schief. »Was meinst du mit ›wir‹? Was hast du denn vor - ein Messer danach werfen?«
»Kannst du es bekämpfen?« Danielle sprach schnell, um dem Ärger, den sie in Talias Augen sah, zuvorzukommen.
Schnee nahm den Spiegel von der Karte und setzte ihn wieder in ihr Halsband ein. »Es gibt keinen Körper, den man angreifen könnte. Es ist kein Dämon, der sich im Zentrum des Sturms versteckt. Es ist der ganze Sturm.« Sie erhob sich von ihrem Stuhl. »Ich muss da draußen sein. Ich muss den Wind auf meiner Haut spüren und seiner Macht erlauben, meine eigene zu berühren.«
Schnee ging zur Tür und stieß sie auf. Der Wind entriss sie ihrem Griff und zerrte derart heftig daran, dass die obere Angel krachend aus dem Rahmen sprang.
Danielle und Talia stellten sich neben Schnee, um sie an den Armen zu stützen. Wenn Schnee ihre Zaubersprüche wirkte, vergaß sie manchmal die Welt um sich herum.
Die Wellen krachten gegen die Seite des Schiffes und brandeten über das Hauptdeck unter ihnen. Noch war keine hoch genug, um den Kartenraum zu erreichen, doch das konnte sich jederzeit ändern. Salzige Gischt kühlte Danielles Gesicht.
Matrosen schrien, während sie versuchten, das Schiff zu sichern. Die Kanonen waren noch festgezurrt vom vorherigen Unwetter. Vom Großmast breiteten sich Rettungsleinen aus wie ein Spinnennetz. Wie konnte ein Sturm bloß so schnell an Stärke zunehmen?
Auch mit eingerollten Segeln trug der Sturm das Schiff mit gutem Tempo vorwärts. Bis jetzt war es Kapitän Hephyra gelungen, die Phillipa in gerader Linie mit dem Wind zu halten; Danielle versuchte, nicht daran zu denken, was geschehen würde, falls Hephyra die Macht über das Steuerrad verlöre und dieser Wind das Schiff breitseitig träfe.
Der Sturm drohte die Tür zuzuschlagen, aber Talia ließ den Fuß vorschnellen und hielt sie auf. Der Aufprall entlockte ihr ein Ächzen. »Wie lange musst du noch hier stehen, Schnee?«
»Der Wind ist an diese Stelle gebunden.« Schnee hatte die Augen zum Schutz vor dem Regen so fest zugedrückt, dass ihr Gesicht Falten warf. »Eine Bindung wie diese habe ich noch nie erlebt. Vielleicht könnte ich sie schließlich zerschlagen, aber es ist, als versuchte man, eine Stahlkette mit einem Küchenmesser zu durchtrennen.«
Danielle drückte Schnees Arm, um ihre
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