Die fiese Meerjungfrau
sich sicher fühlen kann.«
Schnee starrte immer noch in den Himmel. »Die Geister stehen in empathischer Verbindung zu Lirea. Sie haben keine spezifischen Befehle, aber sie teilen ihre Furcht. Ich müsste imstande sein, diese Furcht so lange zu beschwichtigen, dass wir hineinkommen.«
Talia schüttelte den Kopf. »Ich bin schon in viele Häuser eingebrochen, aber ich werde mich nicht nackt in dieses Ding schleichen!«
Schnee war bereits auf die flachen Felsen gekrochen. Sie zog den Schwanz an die Brust und drückte die Augen fest zu, während ihr Körper sich zu verändern begann. Haut umhüllte Schuppen, Flossen legten sich platt an Beine und Füße an. Sie krümmte sich und hustete das Wasser aus ihrer Lunge.
Mit rauer Stimme sagte sie: »Vergewissert euch, dass ihr alles Wasser ausgeatmet habt, bevor ich den Zauber entferne.« An Talias Adresse fügte sie hinzu: »Wenn du lieber hier warten möchtest, während Danielle und ich uns um Lirea kümmern, dann ist das in Ordnung.«
Sie hätte Talia ebenso gut ins Gesicht spucken können. Talia folgte ihr auf die Felsen. »Lass einfach diesen verdammten Zauberspruch los!«
Danielle sah zum Turm hinüber und dann nach unten auf ihre blasse Haut. Das hier würde nicht lustig werden.
Kapitel 9
Unter dem Vorwand, das Gelände erkunden zu wollen, war Talia den anderen vorausgeeilt und bewegte sich um den Fuß des Turms herum. Sie wurde nicht langsamer, ehe sie nicht das knöcheltiefe Wasser auf der Rückseite erreicht hatte; dort, ungesehen von Undine und Mensch, brach sie an der Mauer zusammen und rang um Beherrschung.
Die Schmerzen waren nicht das Problem. Wieder Menschengestalt anzunehmen mochte sich zwar anfühlen wie lebendigen Leibes gehäutet zu werden, aber dieser Schmerz hatte wenigstens geholfen, sie von dem verflixten Trank abzulenken, den Lirea im Wasser verbreitet hatte. Und jetzt, da sie wieder Mensch war, schienen Geruch und Geschmack des Wassers sie nicht mehr zu beeinträchtigen.
Das Problem war ihr eigener Verstand. Jedes Mal, wenn sie die Augen schloss, sah sie Schnee, wie sie sich in den Wellen auf und ab bewegte: die Haare an den Körper geschmiegt, das Wasser, das von ihrem Körper perlte ... Mit einem bewussten Willensakt riss sie sich von diesem Bild los und betrachtete stattdessen das Gebirge in der Ferne, das wenig mehr als ein gezackter Schatten war, der in den Himmel schnitt.
Es war nicht so, als wäre dies das erste Mal gewesen, dass sie Schnee nackt gesehen hatte. Mehrere ihrer vorherigen Missionen für die Königin hatten von ihnen verlangt, in aller Eile die Verkleidung zu wechseln. Doch bei diesen Gelegenheiten war Talia imstande gewesen, den Reaktionen ihres Körpers Einhalt zu gebieten - nicht so dieses Mal, da Lireas Einfluss ihren Undinenkörper ganz kribbelig gemacht hatte.
Ihre Haut brannte, als sie Schnee und Danielle näher kommen hörte. Schnee war inzwischen wieder völlig menschlich und trug nichts als Morverens Gurtwerk, was zur Betonung ihrer -
»In'a'een ya mavas!«, fluchte sie und grub die Nägel in die Handgelenke.
»Ich hätte Schuhe mitbringen sollen«, sagte Schnee gerade. »Diese Steine bringen meine Füße um!«
Talia versuchte, beide nicht anzusehen. »Wir können hier hochklettern. Die Undinen dürften uns nicht sehen, und solange Schnee die Geister in Schach hält, müssten wir uns hineinschleichen können.«
Danielle kam näher. »Was ist los mit dir, Talia?«
Talia antwortete nicht. Schnees erbärmliche Beobachtungsgabe hatte es Talia immer leicht gemacht, ihre Gefühle zu verbergen; Danielle andererseits gab tatsächlich auf solche Dinge acht. Der Teufel sollte sie holen!
»Nichts ist los«, flüsterte Talia. »Abgesehen davon, dass ihr zwei so viel Krach macht, dass er bis zur Phillipa dringt!«
»Beachte sie einfach nicht!«, sagte Schnee. »Vor einer Entführung wird sie immer hochnäsig.«
Talia setzte zu einer Erwiderung an, aber die Worte blieben ihr im Halse stecken. Was war los mit ihr? Beatrice starb womöglich gerade, und alles, woran sie denken konnte, war, Schnees Lippen zu küssen, ihre Finger durch diese glänzenden schwarzen Haare gleiten zu lassen.
Eine sanfte Berührung im Kreuz ließ sie aufkeuchen. Sie bog sich von Danielles Hand weg.
»Es geht mir gut.« Talias Stimme klang selbst in ihren eigenen Ohren heiser.
Danielle sah an Talia vorbei mit einem Blick Richtung Schnee, aus dem Mitgefühl sprach. »Schnee, ich habe dich schon früher Illusionen erzeugen sehen. Wäre es
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