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Die fiese Meerjungfrau

Die fiese Meerjungfrau

Titel: Die fiese Meerjungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim C. Hines
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Flammen sehen, die sich auf dem Wasser widerspiegelten. Rostige Scharniere zeigten, wo einst eine Falltür den untersten Teil des Turms vom Rest abgeteilt hatte. Eine Art von Verlies? Das könnte erklären, wieso es unterhalb des Meeresspiegels gebaut worden war. Gefangene in hüfttiefem Wasser einzusperren wäre eine gute Möglichkeit, ihren Geist zu brechen - für Menschen jedenfalls. Für eine Meerjungfrau war es wahrscheinlich das perfekte Schlafzimmer.
    Mit kampfbereitem Schwert schlich Talia die Stufen hinunter und suchte nach Lirea. Tote, verschimmelte Blumen hingen von den Wänden und erfüllten die Luft mit dem widerlich süßen Geruch der Fäulnis. Dazwischen waren glänzende Muschelschalen angebracht, die Art von willkürlicher Dekorierung, wie sie vielleicht ein Kind vorgenommen hätte.
    Auf der anderen Seite des Turms wuchs ein kränklicher Baum aus dem Wasser; er glich einer Weide, jedoch mit verschrumpelten rosafarbenen Blättern. Viele dieser Blätter waren verwelkt und abgefallen und trieben wie winzige Boote auf dem Wasser, aus dessen Mitte sich die Spitze einer alten Glocke wie ein rostiges Eiland erhob. Eisenringe an den Wänden, an die einst vielleicht einmal Gefangene gekettet gewesen waren, dienten jetzt als Kerzenhalter.
    »Dort!« Schnee zeigte auf den Baum.
    Im Innern des Laubvorhangs stand regungslos eine blasse Gestalt im Wasser. Sie war breiter als die Meerjungfrau, gegen die Talia gekämpft hatte. Talia betrachtete sie genauer, bis ein Flackern von Kerzenlicht nicht Haut, sondern weißen Marmor offenbarte: Sie schaute eine Statue an.
    Eine zweite Gestalt kauerte am Sockel der Statue. Es war Lirea, die sich um die Füße der Skulptur herum zusammengerollt hatte. Sie wimmerte, und Talia wechselte das Schwert in die linke Hand und zog mit der rechten ein Messer. Aber Lirea bewegte sich nicht; sie schien zu schlafen.
    »Ich kann sie von hier aus töten«, flüsterte Talia. Ein Wurf, und alles wäre vorbei.
    »Das darfst du nicht!« Danielle ergriff ihren Arm. »Wir haben es Morveren versprochen!«
    »Du hast doch diesen Nix gehört.« Talia riss sich los. »Lirea ist diejenige, die sie in den Krieg führt, um Ruhm zu ernten. Ohne sie werden die Angriffe gegen Lorindar enden. Hast du etwa vergessen, dass du die Prinzessin von Lorindar bist? Es ist deine Pflicht, dein Volk zu beschützen.«
    »Und was ist mit meiner Pflicht Beatrice gegenüber?«, fragte Danielle. »Denkst du, Morveren wird uns helfen, wenn wir sie hintergehen und ihre Enkelin ermorden?«
    Scheiß auf Lirea! Vielleicht sollte sie stattdessen einfach Danielle töten. Sie warf einen Blick auf die Meerjungfrau, um sich zu vergewissern, dass sie ihr Geflüster nicht gehört hatte. »Wir haben immer noch das Messer. Schnee kann Beatrice retten.«
    »Bist du dir da sicher?«
    Beide drehten sich zu Schnee um. Deren einzige Antwort war Schweigen.
    »Wir nehmen Lirea mit zurück«, entschied Danielle. »Vielleicht kann Morveren ihr helfen. So oder so, ich habe nicht vor, sie einfach laufen zu lassen. Beatrice wird leben, und wir werden Lorindar trotzdem beschützen.«
    »Lirea hat schon zu viele Leute umgebracht.« Aber Talia trat zur Seite, um Schnee Platz zu machen. »Jemand muss für diese Tode zahlen.«
    Schnee zwängte sich an ihr vorbei und ging die Treppe hinunter. Die Illusion von Bekleidung trug nichts dazu bei, die Sinnesempfindung von Haut auf Haut abzuschwächen. Talia biss die Zähne zusammen und konzentrierte sich auf Lirea, bereit, sie zu töten, falls sie auch nur zucken sollte.
    »Die Stufen sind schleimig!« Schnee hielt die Puppe in beiden Händen, während sie vor sich hin summte. Sie runzelte die Stirn und drehte sich zu Talia um. »Ich kann ihre Träume hören. Ihre Erinnerungen an die Zeit mit Gustan.« Ihre Augenbrauen schossen höher. »Meerjungfrauen sind wahnsinnig biegsam!«
    »Hör auf in ihrem Kopf rumzuschnüffeln!«, zischte Talia. »Wirk endlich diesen verdammten Zauber!«
    »Ich versuche es ja. Aber ihre Träume sind intensiv!« Wurde Schnee etwa tatsächlich rot? Talia hätte es nicht für möglich gehalten. »Das hängt wahrscheinlich mit dem Laichen zusammen.«
    »Schnee, bitte!«, sagte Danielle.
    »Tut mir leid.« Schnee schluckte und drehte sich wieder zu Lirea um. »Ihre Träume sind so glücklich, aber ihr Verstand ist ein wütender, verängstigter Ort.«
    Talia ließ das Messer zwischen den Fingern wirbeln, als Schnee ihren Zauber wieder aufnahm. Sie wollte schon fragen, wie lange es dauern

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