Die fiese Meerjungfrau
von Gustan geträumt, ein Traum, der so real gewesen war, dass sie seine Hände immer noch auf ihrem Körper spüren konnte und die kleinen Härchen an seinen Beinen, die sie kitzelten, wenn sie sich bewegte. Sie konnte den Schweiß riechen, der die Locken an seinem Hals befeuchtete. Er war nie sanft mit ihr umgegangen, aber Menschen waren dafür bekannt, grob zu sein.
Und dann hatten ihre Träume sich geändert. Tränen strömten ihr aus den Augen, als sie sich, lächelnd trotz der Schmerzen, die ihr jeder Schritt verursachte, schwankend den Strand hoch quälte. Nackt und bemitleidenswert und menschlich, wie sie war, rief sie seinen Namen. Sie war kaum mehr als ein Kind gewesen, schwach und verzweifelt. Sie hatte um seine Liebe gebettelt und dadurch nur seine Verachtung erlangt.
Und jetzt kommt diese Schwäche wieder zum Vorschein. Die Stimme klang weit entfernt, doch die Worte waren nichtsdestoweniger scharf. Wie konnte Gustan jemals einen solchen Feigling lieben?
Sie sind in mein Zuhause gekommen!, protestierte Lirea. Haben meinen Verstand aufgebrochen wie ein Seevogel, der das Fleisch aus einer Schnecke zerrt!
Und deshalb fliehst du wie ein Kind, das sich vor einer vorüberziehenden Wolke fürchtet.
Ein anderes Raunen, eine fast schwärmerische Stimme: Lannadae ... Morveren ... Die Menschen ... Du hast zu oft versagt, und bald wirst du bestraft werden.
Weitere Stimmen schlossen sich an, kamen von überall um sie herum. Es gibt kein Entrinnen.
Egal wie weit und schnell du schwimmst.
Du wirst nie sicher sein.
Lirea schwamm an die Oberfläche und schrie, bis das Geräusch ihr die Haut aus dem Hals zu scheuern drohte. Erst als ihre Lunge versagte, blickte sie um sich und stellte fest, dass die Undinen sich hinter ihr versammelt hatten. Nilliar war am dichtesten bei ihr und beobachtete sie mit besorgten Augen. Hinter ihnen war Lireas Palast ein geschrumpfter Fleck am Horizont.
Lirea wartete, aber ihre Schreie schienen die anderen Stimmen für den Augenblick betäubt zu haben. Sie würden früh genug zurückkehren. Das taten sie immer.
»Du bist verletzt«, sagte Nilliar. »Was ist passiert?«
»Sie haben mein Messer gestohlen. Sie haben versucht, meine Gedanken zu stehlen.« Lireas Schuppen stellten sich auf; bei der Erinnerung daran überkam sie ein Schaudern. Die Schmerzen in ihrem Arm waren nichts im Vergleich zu der Berührung eines anderen Geistes in ihrem eigenen. »Wie haben sie mich gefunden, Nilliar? Sie kamen in mein Zuhause und rissen meinen Kopf auf und -«
»Ich weiß es nicht, aber du bist jetzt sicher.«
»Nein. Keiner von uns ist das.« Wieso hatte sie solche Angst? Wo war ihre Stärke? Lirea suchte den Horizont ab. »In welche Richtung sind sie geflohen?«
Nilliar zeigte nach Westen.
»Sie müssen ein Schiff haben. Wieso haben wir sie nicht kommen sehen? Wer war in diesen Gewässern auf Kundschaft?«
Ein älterer Krieger namens Toskoth schwamm vor. Er hatte die meiste Zeit seines Lebens Lireas Mutter und Vater gedient.
»Ich sprach mit drei Undinen, die sagten, sie wollten sich unserem Stamm anschließen«, berichtete er. »Ich war da, als die Menschen entkamen. Es waren dieselben. Irgendwie war es ihnen möglich, unsere Gestalt anzunehmen.«
»Morveren!« Ihre Großmutter musste die Menschen verzaubert haben, damit sie hierherkommen und sie vernichten konnten. Lirea gab Nilliar ein Zeichen, und diese drückte ihr einen Speer in die Hand. »Du warst meines Vaters Speerträger, Toskoth. Hast du jemals zugelassen, dass er von Mördern angegriffen wurde?«
»Es tut mir leid, meine Königin.«
Lirea stieß ihm den Speer in die Brust und drückte, bis die Spitze die Haut auf seinem Rücken durchbrach. Seine Kiemen stellten sich auf, aber er gab keinen Laut von sich. Lirea stieß ihn fort. Blut und Luftblasen stiegen aus der Wunde auf, als Toskoth nach unten sank.
Die anderen Undinen wichen zurück. Sogar Nilliar wirkte schockiert, aber niemand wagte zu sprechen. Niemand außer den Flüsterern in Lireas Kopf.
Toskoth hat mit dir gespielt, als du ein Kind warst, und dir Lieder aus längst vergangenen Zeiten vorgesungen.
Lirea duckte sich unter Wasser. Diesmal war ihr Schrei durchdringender, ein Aufruf, der laut genug war, um von jedem Kelpie im Stamm gehört zu werden. Sobald sie ihre Antwortschreie hörte, tauchte sie wieder auf und sagte: »Sie wollen mich zerlegen, bis nichts mehr übrig ist.«
»Du brauchst Ruhe«, sagte Nilliar ruhig. »Du bist verletzt und brauchst Zeit, um
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