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Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage

Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage

Titel: Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Jacobson
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in schallendes Gelächter aus. »Seinem eigenen Stück zufolge«, sagte sie, »muss Gaza dann auch ein Ferienlager sein. Beides zugleich geht nicht. Es ergibt schließlich keinen Sinn, die Juden Nazis zu nennen, wenn die Nazis lebenslustige Menschenfreunde waren.«
    »Dann hat Sam vielleicht recht, und wir haben gerade eine leichte, romantische Komödie gesehen«, sagte Treslove, kam mit seiner Bemerkung aber erneut zu spät.
    »Ich finde, das hieße, die Analogien ein wenig zu pedantisch auszulegen«, sagte Abe als Antwort auf Hephzibah, sah dabei aber Treslove an, von Mann zu Mann, Gatte zu Gatte. Was sind Frauen doch kleinlich!
    Treslove zog das Tempo an und fragte: »Was halten Sie denn als Jude davon?«
    »Nun, als Anwalt …«
    »Nein, als Jude, was denken Sie?«
    »Über das Stück? Oder meinen Klienten?«
    »Über all das, das Stück, Ihren Klienten, den Auschwitz-Lido.«
    Abe drehte die Handinnenflächen nach oben. »Als Jude denke ich, dass es für jedes Argument ein Gegenargument gibt.«
    »Deshalb sind wir auch so gute Anwälte.« Hephzibah lachte und drückte beiden Männern den Arm.
    Diese Leute wissen nicht, wie man sich behauptet, dachte Treslove. Diese Leute hatten ausgespielt.
    Er ging zur Toilette. Von Toiletten bekam er immer schlechte Laune. Es waren Orte, die ihn auf sich selbst zurückwarfen. Illusionslos betrachtete er sich im Spiegel. Sie haben ihr Gefühl für Empörung verloren, sagte er zu seinem Spiegelbild, während er sich die Hände wusch.
    Als er zurückkam, sah er, dass Sam sich wieder zu ihnen gesellt hatte. Sam, Hephzibah, Abe. Was für eine trauliche Finkler-Truppe. Vielleicht bin ich ja derjenige, der ausgespielt hat, dachte Treslove.

ELF
    1
    Als Hephzibah eine Woche später zum Museum ging, dachte sie, so langsam kenne ich mich mit denen überhaupt nicht mehr aus.
    Sie wusste nicht, ob Finkler ihr den Hof machte. Bei Abe, ihrem Ex, war das keine Frage. Seit ihrer zufälligen Begegnung bei Söhne Abrahams hatte er sie schon zwei-, dreimal angerufen. Keine Chance, sagte sie ihm, ich bin glücklich.
    Das könne er sehen, erwiderte er, und das habe sie ja auch verdient, nur wolle er wissen, ob denn ihr Glück dagegen spräche, sich mit ihm auf einen Drink zu treffen.
    »Ich trinke nicht.«
    »Letztens hast du aber.«
    »Das war ein besonderer Anlass. Schließlich war ich gerade des Kindsmords beschuldigt worden. Wenn man des Kindsmords beschuldigt wird, trinkt man.«
    »Ich beschuldige dich des Kindsmords.«
    »Das ist nicht witzig.«
    »Okay, trinkst du eben nicht. Aber du könntest mit mir reden.«
    »Wir reden doch.«
    »Ich wüsste gern mehr übers Museum.«
    »Es ist ein Museum. Ich schicke dir einen Prospekt.«
    »Ist es ein Holocaust-Museum?«
    Himmelherrgott, noch einer, dachte sie.

    Kaum war einer weg, kam schon der Nächste. Finkler verkniff sich seine ironischen Kommentare und hatte sie auch nicht mehr im Museum überrascht, schaffte es aber trotzdem häufig, irgendwie präsent zu sein, tauchte auf, wo niemand mit ihm rechnete. Selbst wenn er nicht persönlich anwesend war, gelang es ihm, sich bemerkbar zu machen, indem er plötzlich am Fernsehschirm erschien oder sein Name in einem Gespräch fiel, etwa als Abe sie auszuquetschen versuchte und sagte, wie sehr es ihn doch gefreut hätte, im Theater Sam Finkler zu treffen, den er schon immer bewundert habe. Obwohl sie sexuell nicht die mindeste Eitelkeit kannte – dafür war sie zu sehr auf Schals und Tücher angewiesen –, nahm sie Finkler die plötzliche Neugier für ihre Arbeit nicht ab. Sie wirkte zu aufgesetzt. Immerhin war Spott nun größerer Zuvorkommenheit gewichen, auch wenn sie nicht recht beurteilen konnte, was seine Zuvorkommenheit zu bedeuten hatte, weil Tresloves Befürchtungen ihr den Blick trübten.
    Also kannte sie sich so langsam auch mit sich selbst nicht mehr aus. Doch sah sie die Welt wieder, wie ihr Geliebter sie sah.
    Vielleicht fungierten diese Irritationen ja auch nur als Deckmantel für ganz anderen Ärger und Kummer. Julian machte ihr Sorgen. In letzter Zeit wirkte er wie ein Mann, der nicht recht wusste, was er mit sich anfangen sollte. Genau wie Libor. Seit Wochen hatte sie ihn kaum gesehen, und wenn sie ihn sah, brachte er sie nicht zum Lachen. Libor aber, der keine Scherze machte, war nicht Libor.
    Und die Informationen, die ihr Büro überschwemmten – immer wieder der Vorwurf von Apartheid und ethnischer Säuberung, Neuigkeiten von globalen Wohlfahrts- und Menschenrechtsorganisationen,

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