Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage

Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage

Titel: Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Jacobson
Vom Netzwerk:
Sinne.« Er deutete mit einer Fingerpistole auf Finklers rötlich beflaumte Stirn. »Du weißt schon …«
    »Um mich umzubringen?«
    »Nein, nicht um dich umzubringen. Um dich ein bisschen zu verprügeln, dir die Brieftasche und die Armbanduhr zu klauen. Außerdem habe ich ›gut möglich‹ gesagt.«
    »Ach so, tja, solange du es nur für möglich hältst. Mein Gott, alles ist möglich. Aber was bringt dich auf so eine Idee?«
    Treslove erzählte ihm, was passiert war. Nicht die unrühmlichen Einzelheiten, nur die nackten Tatsachen. Spaziergang allein im Dunkeln. Gedankenverloren. Rums! Kopf knallt an Guiviers Fensterscheibe. Brieftasche, Uhr und Kreditkarten weg. Alles vorbei, bevor er auch nur …
    »Oh Mann!«
    »Genau.«
    »Und?«
    »Und was?«
    »Wo komme ich da ins Spiel?«
    Ich, ich, ich, dachte Treslove. »Und es wäre durchaus möglich, dass sie mir von Libors Wohnung gefolgt ist.«
    »Moment mal. Sie? Was macht dich so sicher, dass es eine Sie war?«

    »Ich denke, ich kenne den Unterschied zwischen einer Sie und einem Er.«
    »Im Dunkeln? Mit der Nase an der Schaufensterscheibe?«
    »Man weiß es, Sam, wenn es eine Frau ist.«
    »Wieso? Wie oft bist du denn schon von einer Frau angegriffen worden?«
    »Darum geht es nicht. Niemals. Aber wenn es passiert, dann weiß man es eben.«
    »Hast du sie begrapscht?«
    »Natürlich habe ich sie nicht begrapscht. Dafür war gar keine Zeit.«
    »Sonst hättest du?«
    »Ehrlich gesagt, ich habe gar nicht dran gedacht. Für Leidenschaftliches war ich zu schockiert.«
    »Also hat sie dich auch nicht begrapscht?«
    »Sam, sie hat mich überfallen. Sie hat mir die Taschen ausgeräumt. «
    »War sie bewaffnet?«
    »War sie nicht, soweit ich weiß.«
    »Soweit du weißt, oder soweit du wusstest?«
    »Was macht das für einen Unterschied?«
    »Du könntest jetzt wissen, dass sie es nicht war, hast zur Tatzeit aber angenommen, sie wäre es.«
    »Ich denke nicht, dass ich damals dachte, sie wäre es, habe es aber vielleicht doch.«
    »Du lässt dir von einer unbewaffneten Frau die Taschen leeren?«
    »Mir blieb keine Wahl. Ich hatte Angst.«
    »Vor einer Frau?«
    »Vor der Dunkelheit. Dem plötzlichen …«
    »Vor einer Frau?«
    »Okay, vor einer Frau; aber erst habe ich ja nicht gewusst, dass es eine Frau war.«
    »Hat sie was gesagt?«

    Eine Kellnerin, die Finkler noch etwas heißes Wasser brachte, verzögerte Tresloves Antwort. Finkler bat jedes Mal um zusätzliches heißes Wasser, wie viel heißes Wasser ihm anfänglich auch gebracht wurde. So bewies er sich seine Macht, dachte Treslove. Bestimmt hatte Nietzsche auch stets mehr heißes Wasser bestellt, als er brauchte.
    »Sehr nett von Ihnen«, sagte Finkler zur Kellnerin und lächelte sie an.
    Wollte er, dass sie ihn liebte oder dass sie ihn fürchtete, fragte sich Treslove. Finklers lässige und zugleich herrische Art faszinierte ihn. Er selbst hatte von den Frauen bislang immer nur geliebt werden wollen. Vielleicht war das ja sein Fehler.
    »Mal sehen, ob ich das richtig verstanden habe«, sagte Finkler, während er darauf wartete, dass Treslove die Teekanne mit heißem Wasser auffüllte. »Diese Frau, diese unbewaffnete Frau, greift dich an; und du vermutest, dass sie dies in der Annahme tat, mich anzugreifen, da sie dir möglicherweise von Libors Wohnung gefolgt ist – der übrigens, wie ich finde, gar nicht gut aussieht.«
    »Ich finde, alles in allem sieht er eigentlich sogar ziemlich gut aus. Ich habe erst letztens ein Sandwich mit ihm gegessen, wozu du eigentlich eingeladen gewesen warst, und da sah er gut aus. Du machst mir im Moment größere Sorgen. Gehst du oft genug aus?«
    »Ich habe ihn auch gesehen, und mir gefiel er gar nicht. Apropos ›aus‹, was hat es mit diesem ›ausgehen‹ auf sich? Was ist so gut an diesem ›aus‹? Ist ›aus‹ nicht da draußen, wo Frauen darauf warten, über mich herzufallen?«
    »Du kannst doch nicht nur in deinem Kopf leben.«
    »Musst du gerade sagen. Ich lebe nicht bloß in meinem Kopf. Ich spiele Poker im Internet, und das ist alles andere als nur in meinem Kopf.«
    »Wahrscheinlich gewinnst du sogar.«

    »Natürlich. Letzte Woche knapp dreitausend Pfund.«
    »Mensch!«
    »Genau, Mensch! Also meinetwegen brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Libor dagegen suhlt sich im Schmerz. Er hängt so sehr an Malkie, dass sie ihn noch mit sich in den Tod reißt.«
    »Mehr will er doch gar nicht.«
    »Ja, ich weiß, du findest es rührend, aber das ist krank. Er sollte sein

Weitere Kostenlose Bücher