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Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage

Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage

Titel: Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Jacobson
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Jahre später überfallen sollte, wenn sie selbst diese Frau war, die ihn dreißig Jahre später überfiel, aber wie wahrscheinlich war das? Alles Unsinn. Dennoch kann der Gedanke an etwas Vorherbestimmtes die Seele des rationalsten Menschen erschüttern, und zu denen gehörte Treslove nun wahrlich nicht.
    Womöglich war nichts davon von Bedeutung, andererseits war all das vielleicht auch nicht unwichtig, selbst wenn jegliche Bedeutung dann letztlich auf einen extremen Zufall hinauslief. Sie mochte »du Jules« zu ihm gesagt haben, »du Jud« oder was auch immer, nur um ihm damit zugleich zu verraten, dass sie Judith oder sonst wer war. Jules und Judith Treslove – Hules und Hudith Treslove –, verdammt, warum denn nicht?
    Schlug ihn bewusstlos wegen Kreditkarten und Handy, um dann nichts davon zu benutzen. Also hatte sie ihn um seinetwillen bewusstlos geschlagen.
    Das ergab nicht den geringsten Sinn.
    Dies Unerk lärliche verstärkte noch seine (alles in allem) unerwartete Heiterkeit. Wäre ihm eine solche Verfassung allerdings vertrauter gewesen, wäre er vielleicht noch weiter gegangen und hätte erklärt, dass er es sogar – um ein Wort zu benutzen, mit dem er die Frau verärgert hatte, die beim Vögeln ihre Birkenstocks anbehielt (denn auch sie hatte er nie vergessen) – stimulierend fand.
    So stimulierend, als stünde er kurz davor, eine Entdeckung zu machen.

    Aus demselben Grund, aus dem er nicht zur Polizei ging, hatte Treslove auch seinen Söhnen nichts von dem Vorfall erzählt.
    Was die beiden anging, so hätten sie ihn bestimmt nicht mal gefragt, was er getan hatte, um die Frau zu provozieren. Auch wenn sie nicht dieselbe Mutter hatten, waren sie in Bezug auf ihn doch einer Meinung und unterstellten ihm einen provokanten Charakter. Das hatte man als Vater nun davon, wenn man die Mütter seiner Kinder sitzen ließ.
    Dabei hatte Treslove niemanden sitzen lassen, falls man unter »sitzen lassen« die herzlose Tat böswilligen Verlassens verstand. Dazu fehlte es ihm an Entschlossenheit, an der, sagen wir, nötigen seelischen Unabhängigkeit. Entweder ließ er sich taktvoll forttreiben – Treslove wusste schließlich, wann seine Anwesenheit nicht länger erwünscht war –, oder es waren die Frauen, die ihn verließen, ob nun wegen Fliegen, anderer Männer oder schlicht für ein Leben, das sie, und sei es noch so einsam, jeder weiteren Stunde mit ihm vorzogen.
    Er wusste, er langweilte sie, bis sie ihn hassten. Zwar hatte er keiner Frau beim Kennenlernen ein aufregendes Leben versprochen, doch machte er den Eindruck eines glamourösen, kultivierten Mannes, eines tiefschürfenden, neugierigen Menschen, der anders war als alle anderen Männer – zeitweilig Kulturmanager, dann stellvertretender Direktor eines Festivals und selbst noch künstlerisch veranlagt, wenn er Milch ausfuhr oder Schuhe verkaufte –, was eine Frau alles in allem glauben lassen mochte, sie ließe sich auf ein Abenteuer ein, zumindest auf ein Abenteuer des Geistes. In ihrer Enttäuschung hielten sie seine hingebungsvolle Verehrung dann für eine Falle, redeten von Puppenhaus und Frauengefängnis und nannten ihn ihren Wärter, einen Sammler, einen sentimentalen Psychopathen – na ja, vielleicht war er ja einer, aber wenn, dann durfte höchstens er das sagen, nicht sie –, einen Traumstrangulierer, einen Hoffnungstöter, einen Blutsauger.

    Als ein Mann, der Frauen zu Tode liebte, verstand Treslove nicht, wie er zugleich jemand sein konnte, der ihre Träume erstickte. Ehe er bei der BBC aufhörte, bat er eine Nachrichtensprecherin, ihn zu heiraten – eine Frau, die rote Baskenmützen und Netzstrümpfe trug, wodurch sie aussah, als wolle sie in einem Theaterstück als französische Spionin auftreten. Irgendwas in ihm glaubte, ihr damit einen Gefallen zu tun. Wer sollte Jocelyn denn auch sonst um ihre Hand bitten? Außerdem war er in sie verliebt. Die Unfähigkeit einer Frau, sich geschmackvoll anzuziehen, selbst wenn sie sich noch so große Mühe gab, hatte Julian Treslove schon immer fasziniert. Was bedeutete, dass ihn die meisten Frauen faszinierten, die mit ihm bei der BBC arbeiteten. Hinter Jocelyns ebenso peinlichem wie verzweifeltem Bemühen, sich nach neuester Mode oder demonstrativ altmodisch zu kleiden – nouvelle vague oder ancienne vogue –, schien eine schludrige Rutschriemchen-Vettel zu stecken, die unweigerlich auf ein langlebiges Altweiberdasein und ein kaltes, einsames Grab zusteuerte. Aus tiefster Herzensgüte bat er

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