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Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage

Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage

Titel: Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Jacobson
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noch einmal, das ist nicht gesund. Mach mal halblang. Du bist derjenige, der um die Häuser ziehen sollte, der ›ausgehen‹ sollte, wie du es genannt hast. Lach dir eine Kleine an. Mach Urlaub mit ihr. Vergiss alles andere. Kauf dir eine neue Brieftasche und lebe dein Leben. Ich garantiere dir jedenfalls, dass es keine Frau war, die deine alte Brieftasche gestohlen hat, auch wenn du es dir noch so sehr wünschst. Und wer immer es war, hat dich ganz bestimmt nicht mit mir verwechselt oder dich für einen Juden gehalten.«
    Treslove wirkte fast geknickt angesichts so viel philosophischer Gewissheit.

DREI
    1
    »Hi, Brad.«
    Die Frau hatte ein kräftiges Kinn, einen Wasserfall blonder Locken und trug ein schlaff herabhängendes Empirekleid, das auf beeindruckende Weise ihre Brüste zur Geltung brachte. Bereits zum dritten Mal wurde Treslove – der wieder als Double arbeitete – an diesem Abend mit Brad Pitt verwechselt. Dabei hatte man ihn angeheuert, um wie Colin Firth in seiner Rolle als Mr Darcy auszusehen. Er war auf einer rauschenden Geburtstagsparty in einem Loft in Covent Garden zu Ehren einer fünfzigjährigen, vermögenden Dame, die tatsächlich Jane Austen hieß – wen anderes als Mr Darcy hätte er also auch verkörpern sollen? Treslove in engen Bundhosen, weißem Rüschenhemd und seidenem Halstuch übte sich in Schmollpose, weshalb er nicht verstand, wie man ihn mit Brad Pitt verwechseln konnte. Es sei denn, Brad Pitt hatte in einer Verfilmung von Stolz und Vorurteil mitgespielt, von der er nichts wusste.
    Allerdings waren die meisten Gäste betrunken oder sonst wie benebelt. Und die Frau, die ihn angesprochen hatte, war betrunken, benebelt und Amerikanerin. Noch ehe sie den Mund aufmachte, hatte Treslove dies aus ihrem Auftreten geschlossen. Sie schien das Leben viel zu aufregend zu finden, um Engländerin sein zu können. Ihre Locken waren zu gelockt, die Lippen zu voll und die Zähne zu weiß und zu gleichmäßig, ein breiter Zahnbogen mit vertikalen Markierungen in regelmäßigen Abständen.
Und für eine Engländerin besaßen ihre Brüste zu viel Auftrieb und Dramatik. Hätten Jane Austens Heldinnen solche Brüste gehabt, hätten sie sich nie besorgt zu fragen brauchen, ob sie einen Ehemann abbekämen.
    »Einmal dürfen Sie noch raten«, sagte Treslove und lief rot an. Dabei war sie gar nicht sein Typ. Sie würde ihn zu offensichtlich überleben, als dass sie sein Typ sein könnte, doch ihre Direktheit erregte ihn. Und mittlerweile war er selbst auch ein bisschen benebelt.
    »Dustin Hoffman«, sagte sie und musterte sein Gesicht. »Nein, ich fürchte, für Dustin Hoffman sind Sie zu jung. Adam Sandler? Auch nicht, dafür sind Sie zu alt. Ah, ich weiß, Billy Crystal.«
    Er fragte nicht: »Und was hätte Billy Crystal auf einer Jane-Austen-Party zu suchen?«
    Sie nahm ihn mit in ein Hotel am Haymarket. Ihre Idee. Schon im Taxi ging sie ihm an die Wäsche, schob eine Hand ins Rüschenhemd, dann in die enge Mr-Darcy-Bundhose. Sie nannte ihn Billy, was sich, wie ihr einfiel, als sie den Eros auf dem Piccadilly umkurvten, auf Willy reimt, das englische Wort für Pimmel. Wie unanständig die Amerikaner doch sein können, dachte Treslove, und das bei einem Volk mit so durch und durch puritanischer Seele. Prüde und pornografisch zugleich.
    Im Moment stand es ihm allerdings wohl kaum an, sich aufs hohe Ross zu schwingen.
    Gefühle der Dankbarkeit und Erleichterung überwältigten ihn. Er war noch im Spiel; er mischte noch mit. Dabei war er eigentlich nie ein Spieler gewesen, aber er wusste, was er meinte.
    Er ließ die Zunge hinter ihr betörendes Zahnpanorama gleiten und versuchte erfolglos, zwischen den einzelnen Zähnen zu unterscheiden. Mit ihren Brüsten hatte er dasselbe Problem. Sie schienen unteilbar; sie waren ein Busen – Singular.
    Sie war so perfekt, dass sie von allem nur eines brauchte.

    Sie arbeitete als Fernsehproduzentin und war wegen eines Gemeinschaftsprojektes mit Channel 4 für ein paar Tage in London. Zum Glück kein Projekt mit der BBC. Er wusste nicht, ob er mit jemandem schlafen könnte, der was mit der BBC zu tun hatte. Sicher nicht, wenn er über längere Zeit eine anständige Erektion zuwege bringen sollte.
    Als es drauf ankam, brachte er aber trotzdem keine anständige Erektion über längere Zeit zuwege. Wie sie da in einem Geschwabbel von Nippeln und Locken auf ihm herumhüpfte, kam es ihm peinlicherweise zu früh.
    »Wie süß!«, sagte sie.
    »Liegt am Kleid«, sagte er.

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