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Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage

Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage

Titel: Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Jacobson
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»Ich hätte dich nicht bitten sollen, das Kleid anzulassen. Zu viele geile Gedanken.«
    »An was?«
    »Zum Beispiel an Northanger Abbey und Mansfield Park .«
    »Ich kann es ausziehen.«
    »Nein, behalte es an und gib mir zwanzig Minuten.« Sie redeten über ihre Lieblingscharaktere im Werk von Jane Austen. Kimberley – natürlich hieß sie Kimberley – mochte Emma. Als die hatte sie sich verkleidet. Emma Woodhouse, hübsch, intelligent und reich.
    »Und mit aus dem Ausschnitt hängenden Titten«, sagte sie lachend und stopfte sie wieder hinein. Stopfte vielmehr ihn, den Busen, zurück in den Ausschnitt, dachte Treslove.
    Er holte ihn wieder hervor und sagte, für seinen Geschmack wären einige von Jane Austens Heldinnen eine Spur zu überdreht – Emma nicht, nein, Emma natürlich nicht –, doch zog er Anne Elliot vor, ach was, er liebte sie, Anne Elliot, liebte sie wirklich. Warum? Er konnte es nicht genau begründen, nahm aber an, es habe etwas damit zu tun, dass Anne die Zeit für ihr Glück davonlaufe.
    »High Noon im Last-Chance-Saloon«, sagte Kimberley, womit sie ihre intime Kenntnis des georgianischen Englands verriet.

    »Ja, ja, so was in der Art. Ich liebe es, mir ihre verblühende Schönheit vorzustellen, eine Schönheit, die beim Lesen verblüht. «
    »Du stehst auf verblühte Schönheiten?«
    »Nein, um Himmels willen, im Allgemeinen nicht. Nicht im Leben, meine ich.«
    »Das will ich doch hoffen.«
    »Auf keinen Fall.«
    »Freut mich zu hören.«
    »Es liegt am Märchenhaften«, sagte er und hielt inne, um absichtsvoll ihre Brust zu streifen. »Jane Austen schwenkt den Zauberstab und beschwört im allerletzten Moment ein Happyend herauf. Im wahren Leben wäre es zu einer Tragödie gekommen. «
    Sie nickte, hörte aber nicht zu. »Höchste Zeit, dass du deinen Zauberstab schwenkst«, sagte sie und sah auf ihre Uhr. Sie hatte ihm exakt zwanzig Minuten gegönnt. Mit Ungefährem gab sie sich ebenso wenig ab wie mit Tragödien.
    »Wie süß!«, sagte sie fünf Minuten später erneut.
    Es war die vergnüglichste Sexnacht, die Treslove je erlebt hatte. Was ihn ziemlich überraschte, da er es sonst mit Vergnüglichem nicht so hatte. Als er am Morgen ging, gab sie ihm ihre Karte – für den Fall, dass es ihn jemals nach L. A. verschlüge, doch solle er rechtzeitig Bescheid geben, da es ihr Mann sicher nicht toll fände, Billy Crystal in Regency-Bundhosen vor der Tür stehen zu sehen. Zum Abschied gab sie ihm einen Klaps auf den Hintern.
    Er kam sich vor wie ein Callboy.
     
    Was aber hatte es mit diesem Zu-früh-Kommen auf sich? Treslove, wieder in Straßenkleidung, suchte sich am Piccadilly ein Café, um ein wenig nachzudenken. Geschwabbel hatte bei Treslove noch nie etwas ausgelöst. Wenn überhaupt, hatte
Geschwabbel bislang eher etwas verhindert. Wieso dieses Mal nicht? Sicher hatte das Kleid damit zu tun – Anne Elliot, die auf ihm ritt und dabei den Kopf bewegte wie eine schwedische Porno-Queen. Doch das Kleid allein konnte weder seine lebhafte Reaktion noch die Wiederholungen in Abständen von zwanzig Minuten erklären, zu denen er zwar nicht die ganze Nacht lang imstande gewesen war, aber doch öfter, als es einem Gentleman geziemt, damit zu prahlen. Womit nur der Überfall bliebe. Er hätte es vor Gericht nicht beschwören mögen, doch ließ ihn das Gefühl nicht los, dass er, während Kimberley über ihm auf- und niederwippte, juchzte und »Wie süß!« rief, in Gedanken halb bei der Frau gewesen war, die ihn attackiert hatte. Sie besaßen eine ähnliche Figur, redete er sich ein. Hatte er also an sie gedacht, sie vor sich gesehen? Auch darauf hätte er vor Gericht keine klare Antwort geben können.
    Nur ergab sich dadurch ein Problem. Der Überfall hatte ihn damals bestimmt nicht sexuell erregt. Wie sollte er auch? Zu der Sorte Mann gehörte er nicht. Eine gebrochene Nase tut verdammt weh, »Schluss, aus, Ende«, wie seine Söhne zu sagen beliebten. Selbst in den darauffolgenden Tagen hatte ihn der Gedanke an das Vorgefallene kein bisschen erregt. Und wenn er jetzt daran dachte, rührte sich auch nichts bei ihm. Bei was anderem schon. Bei der Erinnerung an den gestrigen Abend natürlich. Es war eine Nacht gewesen, mit der er zufrieden, auf die er aber auch stolz sein konnte, da sie nicht allein das Ende einer langen Auszeit bedeutete, sondern es als One-Night-Stand durchaus mit den besten unter vergleichbaren Nächten aufnehmen konnte, wobei Treslove von Natur aus gar kein Mann für

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