Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage
Bei ihm reichte es
nur zu Freundinnen. Dennoch gehört es zum guten Ton, die sich überlappenden Freundinnen voneinander fernzuhalten.
Aus demselben Grund hätte er auch seine Söhne voneinander ferngehalten, hätte er nicht den Tag, an dem ihm Rodolfo zustand (Treslove hielt nichts davon, ihre Namen zu anglisieren), mit jenem Tag verwechselt, den er mit Alfredo verbringen sollte. Die Jungen waren damals sechs und sieben gewesen, doch konnte man von Treslove ja wohl kaum erwarten, dass er immer wusste, wer nun genau wie alt war. Dafür sah er sie einfach zu selten, und in ihrer Abwesenheit fand er es leichter, sie über einen Kamm zu scheren. War das denn so schlimm? Er war beiden gleichermaßen zugetan. Und dass er ihre Namen und ihr Alter verwechselte, bewies doch nur, wie sehr er sie liebte, ohne den einen dem anderen vorzuziehen.
Die Begegnung in der Wohnung ihres Vaters war für beide eine Überraschung, da sie aber ungleich lieber mit jemandem spielten, der etwa in ihrem Alter war, statt in einem tristen Park mit Treslove zu kicken – der schnell müde wurde, ständig woanders hinsah und ihnen, wenn ihm denn einfiel, in welcher Gesellschaft er sich befand, zu viele gefühlvolle Fragen über die gesundheitliche Verfassung ihrer Mütter stellte –, baten Alf und Ralph ihren Vater inständig, auch künftig die Besuchstage zu verwechseln.
Als die Jungen nach Hause kamen, erzählten sie aufgeregt von ihrem neuen Halbbruder, und bald darauf erhielt Treslove unfreundliche Briefe von seinen Exgeliebten – im Falle von Rodolfos Mutter mit Vorwürfen hinsichtlich einer retrospektiven Untreue gespickt, von der sie sich, um das klarzumachen, nur im abstrakten Sinne verletzt fühle, und im Falle von Alfredos Mutter mit der Information versehen, dass sein Besuchsrecht aufgehoben sei, bis er Näheres von ihren Anwälten höre. Letztlich aber setzten sich die Wünsche der Jungen gegen die arglistige Böswilligkeit (so Treslove) ihrer Mütter durch, und mit der
Zeit glaubten Letztere, dass ihnen ihrer beider Gesellschaft ein wenig Trost in ihrer Empörung bieten und vielleicht sogar eine Antwort auf die Frage lieferte, warum nicht nur eine, sondern gleich zwei Frauen bereit gewesen waren, ein Kind von einem Mann zu bekommen, der ihnen eigentlich völlig schnuppe war. Was Treslove nicht ganz zutreffend fand, als ihm davon berichtet wurde, gab er doch zu bedenken, dass die Einwilligung auf der einen Seite einem Verlangen auf der anderen entsprechen müsse und er in seinem Leben noch von keiner Frau verlangt habe, ein Kind von ihm zu bekommen. Warum sollte er? Vor Tresloves Glücksfantasie fiel schließlich stets der Vorhang, wenn er »Mimi!« oder »Violetta!« rief und die kalten toten Lippen der Schönen zum Abschied ein letztes Mal küsste, um ihrer dann auf immer untröstlich zu gedenken. Ein Kind hatte dabei nichts verloren. Ein Kind machte eine tragische Oper zur opera buffa und erforderte mindestens noch einen weiteren Akt, für den es Treslove sowohl an Durchhaltevermögen wie an Fantasie mangelte.
Mit Bestürzung stellten die Frauen bei ihrer ersten Begegnung fest, wie ähnlich sich nicht nur die Jungen, sondern auch sie beide sich sahen.
»Ich könnte ja verstehen, wenn er sich eine dunkelhaarige Frau mit großem Busen, vollen Schenkeln und einem feurigen, südländischen Temperament gesucht hätte«, sagte Josephine, »aber was kann er sich von dir nur erhofft haben, was er bei mir nicht bereits gefunden hatte? Wir sind doch beide klapprige angelsächsische Kühe.«
Janice fand das gar nicht amüsant, rang sich aber ein Lächeln ab – ein Schwall sauren Atems, ein lautes Keuchen, bei dem sich ihr die schmalen Lippen kringelten.
»Vorausgesetzt, wir kennen seine Affären in der richtigen Reihenfolge«, erwiderte sie, deren Lippen sich ebenfalls kräuselten wie der Saum eines Spitzenhöschens und sich eher seitwärts als auf und ab zu bewegen schienen.
Sie wussten beide nicht genau, wer als Erste auf seiner Bildfläche erschienen war. Das Alter der Jungen bot ihnen keine Hilfe, da Treslove nicht gerade dafür bekannt war, Affären sauber zu beenden, und manchmal noch zu einer Verflossenen ging, wenn er schon mit einer Neuen zusammen lebte. Beide waren sich allerdings darin einig, dass ihm der Laufpass gegeben werden musste – weg mit Schaden, wie Janice sich ausdrückte – und dass sie sich beide gleichermaßen glücklich schätzen durften, ihn losgeworden zu sein.
Treslove hatte Josephine bei der BBC
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