Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage
Decke! Und er hatte geglaubt, Tyler wäre nicht zu überbieten. Wann aber hätte die arme Tyler je mit der Sprache gespielt, wie Hephzibah es gerade getan hatte? Jetzt bin ich deine Decke!
Da zeigte sich, was es hieß, eine Jüdin zu sein. Nicht auf das feuchte, dunkle, weibliche Mysterium kam es an. Eine Jüdin war eine Frau, die noch aus der Interpunktion einen Witz machen konnte.
Er kam nicht dahinter, wie sie es angestellt hatte. War das eine Hyperbel? Oder ein Understatement? Hatte sie sich über ihn oder über sich selbst lustig gemacht? Er entschied, dass es am Ton lag. Finkler konnten Ton. Es war wie in der Musik, sie hatten den Ton vielleicht nicht gerade erfunden, beherrschten ihn aber in seiner ganzen Bandbreite. Sie machten Tiefen hörbar, von deren Vorhandensein die Erfinder des Tons, aber auch die großen Komponisten – denn weder Verdi noch Puccini waren Finkler gewesen, das wusste Treslove – nicht einmal geträumt hatten. Sie waren geniale Interpreten und zeigten, was sich mit Ton machen ließ.
Jetzt bin ich deine Decke! Gott, sie war wunderbar!
Was ihn anging, so wäre er bereit, gleich den Sprung zu wagen. Auf der Stelle. Heirate mich. Ich werde tun, was nötig ist. Ich lerne, lasse mich beschneiden. Nur heirate mich und reiße Finklerwitze.
Sie war, was ihm prophezeit worden war. Und die Tatsache, dass sie so gar nicht wie die Frau aussah, die man ihm seiner Meinung nach prophezeit hatte – die Tatsache, dass sie all seinen
Erwartungen widersprach –, bewies doch, dass hier etwas Mächtigeres am Werke war als seine Neigungen und Vorlieben. Etwas Mächtigeres sogar als seine Vorlieben im Traum, denn Hephzibah war ganz entschieden nicht jenes Schulmädchen, das sich in seinen Träumen vorbeugte, um sich die Schnürsenkel zu binden. Hephzibah konnte sich nicht so tief bücken. Wenn sie sich die Schuhe band, stellte sie den Fuß auf einen Stuhl. Sie war nicht sein Typ Frau. Sie entsprang etwas anderem als seinen Schwächen. Ergo – war sie ein Geschenk.
Sie war diejenige, die sich nicht sicher war. »Weißt du«, erklärte sie, »ich habe nicht darauf gewartet, dass über mir die Decke einfällt.«
Er versuchte, ihren Witz zu wiederholen. »Ich bin nicht deine Decke!«
Sie verstand nicht.
Er gab alles, was er hatte, versuchte es mit einem Achselzucken, gab ein »so« dazu, ein »jetzt«, ein »also« und noch ein zusätzliches Ausrufezeichen. »So, jetzt bin ich also nicht deine Decke!!«
Sie lachte immer noch nicht. Er hätte nicht sagen können, ob sein Versuch sie ärgerte. Womöglich lag es aber bloß daran, dass Finkler-Witze im Negativen nicht funktionierten. Dabei fand er es durchaus witzig. So, jetzt bin ich also nicht deine Decke!! Vielleicht erlaubten Finkler auch nur anderen Finklern, Finkler-Witze zu machen.
Sie hatte zwei Ehemänner gehabt und suchte keinen dritten. Suchte eigentlich nichts weiter.
Treslove glaubte ihr kein Wort. Wer sucht denn nicht? Wer aufhört zu suchen, hört auf zu leben.
Er aber war es, dessen sie sich am wenigsten sicher war. Wie sicher er sich oder wie verlässlich er sich doch in seinem Sichsicher-Sein war.
»Ich bin mir sicher«, sagte er.
»Du hast einmal mit mir geschlafen und bist dir sicher?«
»Es geht nicht um Sex.«
»Es wird um Sex gehen, wenn du eine kennenlernst, mit der du lieber Sex haben willst.«
Er dachte an Kimberley und war froh, dass es mit ihr noch rechtzeitig geklappt hatte. Eine letzte Zügellosigkeit, ehe der Ernst des Lebens begann. Allerdings war es bei ihr auch nicht bloß um Sex gegangen.
Doch er tat, was von ihm verlangt wurde. Er fuhr mit seinen zwei Goi-Söhnen nach Ligurien, und als er zurückkam, war er bereit, bei ihr einzuziehen.
»Mein fejgele «, sagte er und nahm sie in die Arme.
Sie lachte ihr tiefes, gewaltiges Lachen. » Fejgele ? Ich? Weißt du überhaupt, was fejgele bedeutet?«
»Klar, kleiner Vogel. Heißt auch Homosexueller, aber für homosexuell halte ich dich nun wirklich nicht. Ich habe mir ein Jiddisch-Wörterbuch gekauft.«
»Gib mir einen anderen Kosenamen.«
Darauf war er vorbereitet. Wenn seine Söhne nicht hinsahen, hatte er in Portofino am Swimmingpool im Jiddisch-Wörterbuch gelesen. Sein Ziel war es gewesen, hundert jiddische Wörter zu lernen, mit denen er sie umwerben wollte.
»Mein neschomele «, sagte er. »Das heißt mein Liebchen und kommt von neschome , was wiederum Seele heißt.«
»Danke«, erwiderte sie. »Ich sehe schon, du wirst mir noch beibringen, was es
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