Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage
heißt, eine Jüdin zu sein.«
»Wenn du magst, mein bubele.«
Ihre Wohnung lag direkt am Lord’s Stadion. Von der Dachterrasse aus konnte man Cricket gucken. Das war eine kleine Enttäuschung. Schließlich war er nicht eingezogen, um sich Cricket anzuschauen. Er bedauerte, dass sie keine Terrasse hatte, von der aus man auf die Klagemauer sehen konnte.
Es gab noch ein weiteres Problem, mit dem er fertig werden musste. Sie hatte einmal für die BBC gearbeitet. Heute nicht mehr, und bei ihr war es Fernsehen, nicht Radio gewesen, was die Kränkung etwas milder machte, doch hatte sie einige ihrer BBC-Freundschaften beibehalten.
»Wenn die kommen, gehe ich«, hatte er gesagt.
»Du bleibst«, hatte sie geantwortet. »Wenn du, wie du sagst, Jude sein willst, musst du dir als Erstes merken, dass jüdische Männer nicht ohne Frau oder Freundin ausgehen. Es sei denn, sie haben eine Affäre. Allein gehen jüdische Männer nirgendwohin, falls sie nicht in die Wohnung einer anderen Frau gehen. Sie gehen nicht in Pubs, hassen es, ohne Begleitung im Theater gesehen zu werden, und können ohne ihre Frauen nicht auswärts essen. Juden brauchen jemanden, mit dem sie beim Essen reden. Sie können sich mit ihrem Mund nicht bloß einer einzigen Sache widmen. Das lernst du noch. Und du wirst es lernen, meine Freunde zu mögen. Sie sind nett.«
»Nischt-gedacht «, erwiderte Treslove.
Die gute Neuigkeit lautete, dass sie bei der BBC aufgehört hatte, um ein Museum anglo-jüdischer Kultur zu eröffnen – »was wir erreicht, nicht was wir durchgemacht haben; unsere Triumphe, nicht unsere Torturen« –, ein Museum in der Abbey Road, wo die Beatles eine ihrer berühmtesten Platten aufgenommen hatten und wohin ihre Fans noch immer busweise pilgerten, um über den berühmten Zebrastreifen zu tollen. Künftig würden sie auch noch ein Museum anglo-jüdischer Kultur besuchen können, nachdem sie den Beatles ihren Tribut gezollt hatten.
So weit hergeholt war das nicht. In den Jahren ihres ersten Erfolgs war Brian Epstein, ein Jude, Manager der Beatles gewesen. Die Fans wussten, dass er sich gut um die Band gekümmert hatte und dass an seinem Selbstmord womöglich die unerwiderte Liebe zu John Lennon schuld gewesen war, einem Nicht-Juden, verbotene Frucht. Also gab es in der Geschichte der Beatles ein
tragisch jüdisches Element, das zwar nicht der ausschlaggebende Grund für den Bau eines Museums anglo-jüdischer Kultur in der Abbey Road gewesen war, aber in praktischer Hinsicht durchaus eine Rolle gespielt hatte.
Und natürlich würde auch die Brian-Epstein-Geschichte vorkommen. Ein ganzer Raum war dem Beitrag gewidmet, den Juden zur britischen Unterhaltungsindustrie geleistet hatten. Frankie Vaughan, Alma Cogan, Lew Grade, Mike und Bernie Winters, Joan Collins (zwar nur väterlicherseits, aber eine Hälfte war besser als nichts), Brian Epstein und sogar Amy Winehouse.
Ein exzentrischer anglo-jüdischer Philanthrop, der selbst Musikproduzent war und auf dessen Idee das Museum zurückging, hatte Hephzibah von der BBC abgeworben. Seiner Meinung nach und auch nach Ansicht seiner Stiftung war Hephzibah die beste Wahl für diesen Job. Die einzige Wahl. Und Hephzibah genoss die Herausforderung.
»Wenn man bedenkt, dass er die Berichterstattung der BBC über den Nahen Osten für tendenziös hält, ist es schon ziemlich erstaunlich, dass er sich für mich entschieden hat«, sagte sie zu Treslove.
»Er weiß, dass du nicht wie die anderen bist«.
»Nicht wie die anderen? In welcher Hinsicht?«
»In Hinsicht einer tendenziösen Berichterstattung über den Nahen Osten.«
»Und das denkst du?«
»Über dich? Ja.«
»Über die anderen, meine ich.«
»Dass sie ihre Vorurteile gegen das haben, was Onkel Libor Isrrrae nennt? Natürlich.«
»Hast du das immer schon gedacht?« Sie wollte nicht, dass er bloß ihretwegen seine politischen Ansichten änderte. Irgendwann würde er ihr das sicher übel nehmen.
»Nein, aber nur, weil ich vorher nie drüber nachgedacht habe. Und wenn ich jetzt drüber nachdenke, fällt mir auf, wie antisemitisch sie dort waren, alle, besonders die Juden.«
Einen Moment lang fragte er sich, ob Antisemitismus der Grund war, weshalb es für ihn bei der BBC so unglücklich gelaufen war.
»Dann hast du bei der Alten Tante ganz andere Juden gekannt als ich.«
»Die Juden, die ich kannte, taten, als wären sie keine Juden. Deshalb sind sie auch zur BBC gegangen – um dort eine neue Identität zu finden. Für sie
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