Die Finsternis
abzuholen, egal bei welchem Wetter. Als die Fiddleback eines Tages nicht erschien, teilte ich der Meereswache mit, dass etwas Tragisches passiert sein musste. Diese Townships konnten es sich nicht leisten, auch nur eine Monatsration auszulassen. Doch die Meereswache tat gar nichts. Sechs Monate später war es die Surge , die nicht mehr auftauchte. Wieder habe ich die Meereswache informiert – nichts. Als schließlich in diesem Monat die Nomad nicht aufkreuzte, schickte die Meereswache die junge Kommandantin Revas, um Nachforschungen anzustellen. Ich kann nicht sagen, dass ich besonders beeindruckt bin. Ich habe gehört, ihr zwei habt die Nomad gefunden.« Fife rief einen Kellner. »Bring mir ein Glas gezuckerten Seetangwein. Und für euch«, er sah uns an, »Rotalgenmilchshakes?«
»Nein, danke«, erwiderte ich schnell, denn ich wusste, dass Gemma die moosigen roten Meeresalgen hasste, insbesondere, wenn sie als würziges, gallertartiges Getränk serviert wurden.
»Warum sollte jemand so etwas tun?«, fragte Gemma. »All diese Menschen töten?«
»Ich denke, bei diesem Thema sollte ich lieber meinen Mund halten oder ich ende womöglich auch noch verankert am Meeresboden.«
»Wir werden Sie nicht verraten«, versicherte sie ihm.
Seufzend lehnte sich Fife über den Tisch. »Es ist nur eine Vermutung, aber ich glaube, bestimmte Regierungsbeamte könnten es satthaben, ein Abkommen zu erfüllen, das vor acht Jahren unterzeichnet wurde.«
Gemma warf mir einen vielsagenden Blick zu. Hab ich doch gleich gesagt , schien sie damit ausdrücken zu wollen.
»In den letzten Jahren hat der Staatenbund immer weniger Rationen geschickt. Die Surfs kommen damit kaum über die Runden. Als ich mich nach dem Grund erkundigte, wurde mir nur gesagt, dass der Befehl, die Rationen zurückzuschrauben, von ganz oben kam. Es würde mich nicht wundern, wenn von dort auch noch ganz andere Befehle erteilt worden wären.«
»Wie zum Beispiel ein Township zu versenken?«, fragte ich ungläubig. »Niemand würde einen solchen Befehl befolgen.«
»Die Geschichte sagt etwas anderes«, entgegnete Fife. »Betrachte es mal auf diese Weise: Wer profitiert denn davon, wenn die Surfs nicht mehr existieren? Nur die Regierung.« Plötzlich breitete sich ein herzliches Lächeln auf seinem Gesicht aus. »Oh, hallo, Herr Abgeordneter. Haben Sie nicht Lust, sich zu uns zu setzen?«
Ich drehte mich um und sah Tupper hinter mir auftauchen. Fife warf uns einen verschwörerischen Blick zu – als müsste er uns sagen, dass wir in Tuppers Gegenwart den Staatenbund nicht kritisieren sollten.
»Nein, ich bin auf dem Weg zum Festland«, sagte Tupper. Durch die inzwischen völlig verschmierte Zinksalbenbemalung wirkte sein Äußeres ziemlich befremdlich – als würde sein Gesicht zerlaufen. »Aber als ich Sie mit dem Townson-Jungen sah«, fuhr er fort, »musste ich rüberkommen. Sie haben ihm alles gesagt, was er wissen wollte, oder?«
Fife sah mich an. »Ich denke, ich habe Ty mehr als das erzählt.«
Tupper klopfte mir auf den Rücken. »Gut, ich habe mir nämlich ein paar Gedanken über die Situation deiner Eltern gemacht, junger Mann. Wie sieht das denn in den Augen der Öffentlichkeit aus, wenn die Surfs so dreist sind und zwei Gründer der unterseeischen Siedlungen entführen? Womöglich könnte das sogar Auswirkungen auf die weitere Entwicklung des Algenanbaus haben. Und ich kann dir versichern, dass das niemand will.«
Ich spürte, wie mein Ärger wieder wuchs. In Tuppers Augen war die Entführung meiner Eltern nur ein Problem für die Öffentlichkeit.
»Aus diesem Grund habe ich Kommandantin Revas angewiesen, mich über alles auf dem Laufenden zu halten«, fuhr er fort. »Wenn sie nicht in der Lage ist, deine Eltern innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden zurückzubringen, werde ich den Fall als terroristischen Akt einstufen«, endete er großspurig.
»Wozu sollte das gut sein?«, fragte Gemma.
»Meine Kleine, ein terroristischer Angriff kann nicht ignoriert werden. Weder von den Abgeordneten der Staaten noch von der Öffentlichkeit. Die Surfs werden sich entscheiden müssen: Entweder lassen sie Tys Eltern frei oder sie gelten ab sofort offiziell als Feind des Staatenbundes.«
»Warum noch vierundzwanzig Stunden warten?« Ich sah Tupper jetzt direkt an. »Warum üben Sie nicht gleich Druck auf die Regierung aus?«
»Ihr führt wirklich ein bäuerliches Leben dort unten am Meeresboden«, erwiderte er belustigt. »Ich kann doch nicht
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