Die Firma
Ohr: »Können wir reden?«
Er schüttelte den Kopf. »Und wie war das Wetter, solange ich weg war?«
Abby verdrehte die Augen und schaute zum Fenster an der Beifahrerseite hinaus. »Kalt«, sagte sie. »Für heute abend ist leichter Schneefall angesagt.«
»In Washington war die Temperatur die ganze Zeit unter Null.«
Abby sah aus, als hätte sie diese Mitteilung verblüfft. »Hat es denn auch geschneit?« fragte sie mit hochgezogenen Brauen und weit geöffneten Augen, als wäre sie völlig hingerissen von dieser Unterhaltung.
»Nein. Es war nur lausig kalt.«
»So ein Zufall! Dort war es kalt, und hier auch.«
Mitch kicherte innerlich. Sie fuhren schweigend auf die Auffahrt zur Interstate. »Und wer, glaubst du, wird die Super Bowl gewinnen?« fragte er.
»Die Oilers.«
»Meinst du? Ich bin für die Redskins. In Washington wurde über nichts anderes geredet«
»Was du nicht sagst. Muß ja eine tolle Stadt sein.«
Weiteres Schweigen. Abby legte den Handrücken auf den Mund und konzentrierte sich auf die Schlußlichter vor ihnen.
In diesem Moment der Bestürzung wäre es ihr recht gewesen, wenn sie ihr Glück in Tijuana versucht hätten. Ihr Mann, dritter seines Jahrgangs (in Harvard), für den Wall Street den roten Teppich ausgerollt hatte, der überall hätte hingehen können, zu jeder Firma, war bei der Mafia gelandet! Da sie ohnehin schon auf ihrer Liste fünf tote Anwälte abgehakt hatten, würde es ihnen bestimmt nichts ausmachen, Nummer Sechs hinzuzufügen. Ihren Mann! Dann gingen ihr die vielen Unterha l tungen mit Kay Quin durch den Kopf. Die Firma ist sehr für Kinder. Die Firma hat nichts dagegen, wenn Frauen arbeiten, aber nicht für immer. Die Firma stellt niemanden mit Geld in der Familie ein. Die Firma erwartet Loyalität. Die Firma hat die niedrigste Fluktuationsrate im ganzen Land. Kein Wunder.
Mitch beobachtete sie aufmerksam. Zwanzig Minuten nach Verlassen des Flughafens stand der Peugeot im Carport neben dem BMW. Hand in Hand gingen sie zum Ende der Auffahrt.
»Das ist zum Verrücktwerden, Mitch.«
»Ja, aber eine Tatsache. Es verschwindet nicht von selbst.«
»Was werden wir tun?«
»Ich weiß es nicht, Baby. Aber wir müssen es schnell tun, und wir dürfen keine Fehler machen.«
»Ich habe Angst.«
»Ich auch.«
Tarrance wartete nicht lange. Eine Woche, nachdem er Mitch an der Gedenkstätte zum Abschied zugewinkt hatte, entdeckte er ihn, als er auf der North Main, acht Blocks vom Bendini-Gebäude entfernt, eilig auf das Federal Building zuging. Er folgte ihm zwei Blocks weit, dann trat er in ein kleines Café mit Fenstern, die auf die Straße hinausgingen. Die Main Street von Memphis war für Fahrzeuge gesperrt. Der Asphalt war mit Platten belegt, und die Fußgängerzone war zur Mid-American Mall erklärt worden. Hier und dort ragte ein nutzloser und kläglicher Baum aus dem Plattenbelag und reckte seine kahlen Äste den Gebäuden entgegen. Säufer und Stadtstreicher wanderten ziellos von einer Seite der Mall auf die andere und bettelten um Geld und Essen.
Tarrance saß an einem Fenster und beobachtete von ferne, wie Mitch im Federal Building verschwand. Er bestellte Kaffee und einen Schokoladenkrapfen. Er sah auf die Uhr. Es war zehn Uhr vormittags. Der Prozeßliste zufolge machte McDeere in diesem Augenblick eine kurze Aussage vor dem Steuergericht. Sie würde sehr kurz sein, hatte der Gerichtsdiener Tarrance versichert. Er wartete.
Vor Gericht ist nichts kurz. Eine Stunde später brachte Tarrance sein Gesicht näher an das Fenster heran und musterte die vereinzelten Passanten, die es eilig hatten. Er leerte die dritte Tasse Kaffee, legte zwei Dollar auf den Tisch und wartete hinter der Tür. Als Mitch auf der anderen Seite der Mall herankam, bewegte sich Tarrance schnell auf ihn zu.
Mitch sah ihn und verlangsamte für eine Sekunde sein Tempo.
»Hallo, Mitch. Stört es Sie, wenn wir ein Stück zusammen gehen?«
»Ja, es stört mich, Tarrance. Es ist gefährlich, meinen Sie nicht auch?«
Sie schritten rasch aus und sahen sich nicht an. »Sehen Sie das Schuhgeschäft dort drüben?« sagte Tarrance und deutete nach rechts. »Ich brauche ein Paar Schuhe.« Sie verschwanden in Don Pang's House of Shoes. Tarrance ging in den Hintergrund des schmalen Ladens und blieb zwischen zwei Reihen mit imitierten Reeboks zu 4.95 Dollar für zwei Paar stehen. Mitch folgte ihm und nahm ein Paar Größe zehn in die Hand. Don Pang, ein Koreaner, beäugte sie mißtrauisch, sagte aber
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