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Die Firma

Die Firma

Titel: Die Firma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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zuviel, aber doch nicht ich. Ich rief meinen Arzt an, und er sagte, ich sollte zu ihm ins Krankenhaus kommen. Er meint, es wäre eine leichte Herzattacke gewesen. Nichts Ernstes, hofft er, aber in den nächsten Tagen wollen sie mich erst einmal gründlich untersuchen.«
    »Eine Herzattacke.«
    »Das hat er gesagt.«
    »Das überrascht mich nicht, Avery. Es ist schon ein Wunder, wenn ein Anwalt dieser Firma die Fünfzig erreicht.«
    »Daran ist Capps schuld, Mitch. Sonny Capps. Das ist seine Herzattacke. Er hat Freitag angerufen und gesagt, er hätte eine neue Steuerfirma in Washington gefunden. Will seine sämtlichen Unterlagen haben. Er ist mein wichtigster Klient. Im letzten Jahr belief sich seine Rechnung auf fast vierhunderttausend, ungefähr die gleiche Summe, die er an Steuern zu zahlen hatte. Er ist nicht wütend wegen des Honorars, er ist wütend wegen der Steuern. Das ist doch völlig absurd, Mitch.«
    »Er ist es nicht wert, daß man sich seinetwegen umbringt.«
    Mitch blickte sich nach einem Tropf um, sah aber keinen. Da waren weder Raschen noch Drähte. Er setzte sich auf den einzigen Stuhl und legte die Füße aufs Bett.
    »Jean hat die Scheidung eingereicht.«
    »Ich habe es gehört. Das ist doch keine Überraschung, oder?«
    »Das einzige, was mich überrascht, ist, daß sie es nicht schon im vorigen Jahr getan hat. Ich habe ihr ein kleines Vermögen als Abfindung angeboten. Ich hoffe, sie nimmt es.
    Ich möchte eine häßliche Scheidung vermeiden.«
    Wer möchte das nicht, dachte Mitch. »Was hat Lambert gesagt?«
    »Es war ziemlich lustig, wirklich. In neunzehn Jahren habe ich noch nie erlebt, daß er die Beherrschung verlor, aber er hat sie verloren. Hat mir erklärt, ich tränke zuviel, wäre hinter den Frauen her und wer weiß was sonst noch. Sagte, ich hätte die Firma kompromittiert. Schlug vor, daß ich einen Psychiater aufsuche.«
    Avery sprach langsam, bemüht und hin und wieder mit schwacher, heiserer Stimme. Es wirkte gespielt. Einen Satz später vergaß er es und kehrte zu seiner normalen Stimmlage zurück. Er lag bewegungslos da wie eine Leiche, fest in seine Laken eingepackt. Seine Farbe war gut.
    »Ich glaube auch, daß Sie einen Psychiater brauchen.
    Vielleicht sogar zwei.«
    »Danke. Was ich brauche, ist ein Monat in der Sonne.
    Der Arzt hat gesagt, er würde mich in drei oder vier Tagen entlassen, und in den nächsten zwei Monaten dürfte ich nicht arbeiten. Sechzig Tage, Mitch. Ich dürfte in den nächsten sechzig Tagen keinesfalls auch nur in die Nähe des Büros kommen.«
    »Das ist ja wundervoll. Ich glaube, ich werde mir auch eine leichte Herzattacke zulegen.«
    »Bei Ihrem Arbeitstempo ist sie Ihnen sicher.«
    »Sind Sie jetzt ein Arzt?«
    »Nein. Nur verängstigt. Wenn man einen derartigen Schrecken bekommt, fängt man an, über alles mögliche nachzudenken. Heute ist der erste Tag in meinem Leben, an dem mir der Gedanke an den Tod gekommen ist. Und wenn man nicht über den Tod nachdenkt, weiß man das Leben nicht zu würdigen.«
    »Das klingt ziemlich tiefsinnig.«
    »Ich weiß. Wie geht es Abby?«
    »Gut, nehme ich an. Ich habe sie seit längerem nicht gesehen.«
    »Sie sollten zu ihr fahren und sie heimholen. Und sie glücklich machen. Sechzig Stunden pro Woche reichen völlig aus, Mitch. Wenn Sie mehr arbeiten, machen Sie nur Ihre Ehe kaputt und bringen sich selbst um. Sie möchte Kinder, also soll sie sie haben. Ich wollte, ich hätte mein Leben anders gelebt.«
    »Verdammt nochmal, Avery. Wann findet die Beerdigung statt? Sie sind vierundvierzig, und Sie hatten eine leichte Herzattacke. Sie liegen nicht im Sterbezimmer.«
    Der Pfleger kam herein und warf einen Blick auf Mitch. »Die Besuchszeit ist vorbei, Sir. Sie müssen jetzt gehen.«
    Mitch sprang auf. »Ja, natürlich.« Er versetzte Avery einen Klaps auf die Füße und verließ das Zimmer. »Wir sehen uns in ein paar Tagen.«
    »Danke für den Besuch. Grüßen Sie Abby von mir.«
    Der Fahrstuhl war leer. Mitch drückte den Knopf für den sechzehnten Stock und stieg Sekunden später wieder aus. Er rannte die zwei Treppen zum achtzehnten Stock hinauf, kam wieder zu Atem und öffnete die Tür. Weiter hinten im Flur, ein Stück von den Fahrstühlen entfernt, paßte Rick Acklin auf und flüsterte in einen stummen Telefonhörer. Er nickte Mitch zu, der auf ihn zuging. Acklin deutete auf einen kleinen Raum, der besorgten Angehörigen als Wartezimmer diente, und Mitch ging hinein. Er war leer und dunkel, mit zwei Reihen

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