Die Firma
Ringbindern nach der Capps-Akte. Nina steckte den Kopf zur Tür herein.
»Oliver Lambert möchte Sie sprechen.«
»Wann?« fragte Mitch.
»Sobald Sie bei ihm sein können.«
Mitch sah auf die Uhr. Drei Stunden im Büro, und ihm war, als hätte er bereits ein Tagewerk hinter sich. »Hat das Zeitbis später?«
»Ich glaube nicht, daß Mr. Lambert gewöhnt ist, auf irgend jemanden zu warten.«
»Ich verstehe.«
»Sie sollten gleich hingehen.«
»Was will er?«
»Das hat seine Sekretärin nicht gesagt«
Er zog sein Jackett an, rückte die Krawatte gerade und rannte hinauf in den vierten Stock, wo Mr. Lamberts Sekretärin auf ihn wartete. Sie stellte sich vor und teilte ihm mit, daß sie seit einunddreißig Jahren bei der Firma war. Tatsächlich war sie die zweite Sekretärin, die Mr. Anthony Bendini eingestellt hatte, nachdem er nach Memphis gezogen war. Ida Renfroe war ihr Name, aber alle nannten sie Mrs. Ida. Sie führte ihn in das große Büro und machte die Tür hinter sich zu.
Oliver Lambert stand hinter seinen Schreibtisch und nahm seine Lesebrille ab. Er lächelte herzlich und legte seine Pfeife auf den Messingständer. »Guten Morgen, Mitch«, sagte er ruhig, als bedeutete Zeit überhaupt nichts. »Setzen wir uns dort drüben hin.« Er deutete auf die Couch.
»Möchten Sie Kaffee?« fragte Lambert
»Nein, danke.«
Mitch versank in der Couch, und der Partner ließ sich auf einem steifen Ohrensessel nieder, einen halben Meter entfernt und einen ganzen Meter höher. Mitch knöpfte sein Jackett auf und versuchte, sich zu entspannen. Er schlug die Beine übereinander und betrachtete sein neues Paar Cole-Haans.
Zweihundert Dollar. Das war eine Stunde Arbeit für einen jüngeren Anwalt in dieser Gelddruck-Fabrik. Er versuchte weiter, sich zu entspannen. Aber er konnte die Panik in Averys Stimme spüren und die Verzweiflung in seinen Augen lesen, ab er den Hörer am Ohr hatte und sich anhörte, was dieser Capps am anderen Ende zu sagen hatte. Dies war sein zweiter voller Tag, und sein Kopf dröhnte und sein Magen schmerzte.
Mr. Lambert lächelte mit seinem schönsten und aufrichtigsten Großvaterlächeln auf ihn herunter. Es war Zeit für einen Vortrag. Er trug ein strahlend weißes, maßgeschneidertes Oberhemd aus reiner Baumwolle mit einer kleinen, dunklen Seidenfliege, die ihn überaus intelligent und weise erscheinen ließ. Wie immer war er braungebrannt, und zwar über den Bronzeton hinaus, den die Sommersonne von Memphis üblicherweise hervorbrachte. Seine Zähne funkelten wie Diamanten. Ein sechzigjähriges Model.
»Nur ein paar Dinge, Mitch«, sagte er. »Wie ich höre, sind Sie sehr beschäftigt.«
»So ist es, Sir.«
»In einer großen Anwaltskanzlei gehört Panik zum Alltag, und Klienten wie Sonny Capps können Magengeschwüre verursachen. Unsere Klienten sind unsere einzigen Aktivposten, deshalb bringen wir uns für sie um.«
Mitch lächelte und runzelte gleichzeitig die Stirn.
»Zweierlei, Mitch. Zum ersten möchten meine Frau und ich, daß Sie und Abby am Samstag mit uns essen. Wir essen oft außerhalb und haben dabei gern Freunde bei uns. Ich bin selbst kein schlechter Koch, und ich weiß gute Speisen und Getränke zu würdigen. Wir lassen gewöhnlich einen großen Tisch in einem unserer Lieblingsrestaurants reservieren, laden unsere Freunde ein und verbringen den Abend bei einem aus neun Gängen bestehenden Essen und ausgesuchten Weinen.
Würde es Ihnen und Abby am Samstag passen?«
»Natürlich.«
»Außerdem werden Kendall Mahan, Wally Hudson, Lamar Quin und ihre Frauen dabei sein.«
»Wir kommen gern.«
»Gut. Mein Lieblingsrestaurant in Memphis ist Justine's.
Es ist ein altes französisches Lokal mit vorzüglicher Küche und einer eindrucksvollen Weinkarte. Sagen wir, um sieben?«
»Wir werden da sein.«
»Zum zweiten ist da noch etwas, worüber wir sprechen müssen. Ich bin sicher, daß es Ihnen ohnehin klar ist, aber es sollte nicht unerwähnt bleiben. Für uns ist es äußerst wichtig.
Ich weiß, daß man Ihnen in Harvard beigebracht hat, daß zwischen Ihnen als Anwalt und Ihren Klienten ein Vertrauensverhältnis besteht. Dieses Verhältnis ist rechtlich geschützt, und niemand kann Sie zwingen, etwas von dem preiszugeben, was ein Klient Ihnen mitgeteilt hat. Das ist streng vertraulich. Wenn wir über die Angelegenheiten unserer Klienten reden, verstoßen wir gegen die Ethik unseres Berufs.
Nun, das gilt für jede Anwaltskanzlei, aber in dieser Firma nehmen wir dieses
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