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Die Flamme von Pharos

Die Flamme von Pharos

Titel: Die Flamme von Pharos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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massiven Eisengittern verschlossen waren und einst die Mündungen von Lichtschächten gewesen sein mochten. Inzwischen waren sie mit Unrat und Schutt verstopft, und die Oberwelt hatte sie längst vergessen.
    Erneut ein dumpfer Knall, noch näher diesmal. Eine Erschütterung ließ die Halle erbeben, sodass Sarah ins Wanken geriet. Dennoch setzte sie ihren Weg unbeirrt fort – und gewahrte plötzlich das Licht, das vom Ende der Halle zu ihr drang. Ein schmaler, von Pylonen umrahmter Durchgang führte in das Magazin, das eigentliche Herzstück der Bibliothek, und am flackernden Feuerschein konnte Sarah erkennen, dass sie nicht die Erste dort war.
    Mit einer Verwünschung auf den Lippen ließ sie ihre Lampe fallen und griff nach dem Colt. Die Waffe ihres Vaters fühlte sich ungewohnt schwer an, sodass Sarah den Griff mit beiden Händen fassen musste. Es gab ein leises Klicken, als sie den Spannhahn zurückzog. Dann schlich sie lautlos weiter.
    Von Säule zu Säule huschend, arbeitete sie sich an die Pylonen heran. Im Sand, der die Bodenfliesen bedeckte, waren Fußspuren zu erkennen. Ein wölfisches Grinsen spielte um Sarahs Züge, als sie feststellte, dass der Mörder ganz offenbar alleine war …
    Endlich erreichte sie die Pforte.
    Sich vorsichtig vorbeugend, spähte sie hinein.
    Was sie sah, war nicht unbedingt das, was sie von einer antiken Bibliothek erwartet hatte, denn in den in Stein gehauenen Nischen, die die Wände säumten, befanden sich keine Schriftrollen aus Pergament oder Papyrus, wie anzunehmen gewesen wäre. Stattdessen stapelten sich Kodizes darin, wie sie erst rund zweihundert Jahre nach dem angeblichen Untergang des Museions aufgekommen waren: zwischen Deckeln gebundene Blattsammlungen, keine Bücher im eigentlichen Sinn, jedoch deren unmittelbare Vorläufer. Dazu gab es Regale mit großen, ledergebundenen Folianten – zweifellos Abschriften berühmter Werke, die belegten, dass die Bibliothek bis ins Mittelalter hinein betrieben worden war.
    Hier lagerten all die Werke, von denen die Welt annahm, dass sie unrettbar verloren waren, zerstört in den Wirren des Dunklen Zeitalters: die vollständigen Bücher des Aristoteles, die geografischen Schriften des Eratosthenes, die Kommentare Hypatias und noch viele mehr, deren alleinige Nennung das Herz eines jeden Gelehrten höherschlagen ließ – nur nicht Sarahs, das schwer war von Trauer und trunken von Hass.
    Der Feuerschein stammte von einer Fackel, die einsam im sandbedeckten Boden steckte. Von ihrem Besitzer war nichts zu sehen. Wahrscheinlich, vermutete Sarah, war er bereits dabei, die Bestände zu plündern, ehe er den Rest der Bibliothek vernichtete.
    »Nur über meine Leiche, Bastard«, flüsterte sie.
    Der Schmerz in ihrer Brust hatte sich in pure Aggression verwandelt, die nach Auslass verlangte, nach einem Ziel, auf das sie sich richten konnte. Und dieses Ziel war nahe. Denn jenseits des Durchgangs fühlte Sarah tödliche Kälte, genau wie in jener Nacht auf dem Montmartre, die Ewigkeiten zurückzuliegen schien …
    Flüchtig blickte sie zurück, um zu sehen, ob ihre Begleiter ihr gefolgt waren, aber weit und breit war niemand zu sehen. Du Gard und Hingis schienen es vorgezogen zu haben, beim verletzten Mortimer Laydon zu bleiben. Sollten sie. Sarah brauchte keine Hilfe. Sie würde auch so zu Ende bringen, was sie geschworen hatte.
    Sie holte tief Luft und fasste den Griff des Revolvers fester. Dann verließ sie ihre Deckung. In gebückter Haltung passierte sie den Durchgang, die Waffe im Anschlag, um auf alles zu schießen, was sich bewegte …
    Aber da war niemand.
    Das Magazin, ein von Säulen getragenes Gewölbe von vielleicht fünfzig Yards Länge, aber nur rund zehn Yards Breite, zu dessen beiden Seiten sich die steinernen Regale reihten, war menschenleer – jedenfalls auf den ersten Blick.
    Gehetzt schaute sich Sarah im Licht der Fackel um. Auf halber Höhe umlief eine steinerne, geländerlose Balustrade das Magazin, in deren Außenwand weitere mit Kodizes gefüllte Nischen eingelassen waren. Und vor einer dieser Nischen gewahrte Sarah eine dunkle Gestalt.
    Sie brauchte einen Augenblick, um zu begreifen, dass es keine Täuschung war; dass dort oben tatsächlich jemand stand und auf sie herabblickte – jemand, der einen weiten, schwarzen Umhang trug, dessen Kapuze sein Gesicht komplett verhüllte.
    Charon …
    Mit einer Verwünschung riss Sarah den Lauf des Revolvers empor – worauf der Vermummte nur ein leises Lachen vernehmen

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