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Die Flamme von Pharos

Die Flamme von Pharos

Titel: Die Flamme von Pharos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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unterschiedlich hoch, sodass Sarah und du Gard sich vorsehen mussten, um nicht zu stürzen. Dazu betrug die Höhe des Ganges nur anderthalb Yards, was bedeutete, dass sie sich nur in gebückter Haltung fortbewegen konnten.
    »Wer immer diesen Stollen gegraben hat, scheint ein winziges Kerlchen gewesen zu sein«, frotzelte du Gard.
    »In der Tat«, stimmte Sarah zu. »Die Menschen im Mittelalter waren kleiner, als wir es heute sind.«
    »Im Ernst?«
    »Allerdings.«
    Du Gard kicherte albern.
    »Was ist daran so komisch?«, erkundigte sich Sarah.
    »Alors, wenn die Menschen vor vierhundert Jahren kleiner waren, als wir es heute sind, so dürften sie in der Antike noch ein wenig kleiner gewesen sein, n’est-ce pas?«
    »Möglich, wieso?«
    »Na ja – sehr groß kann Alexander der Große unter diesen Voraussetzungen nicht gewesen sein.«
    Sarah seufzte. »Du bist ein Ignorant, Maurice.«
    »Merci beaucoup.«
    »Moment mal«, zischte Sarah plötzlich.
    »Was ist?«
    »Ich glaube, es wird heller. Ich kann plötzlich meine Füße sehen.«
    »Moi aussi«, bestätigte du Gard.
    »Leise jetzt«, ordnete Sarah an. »Wir wissen nicht, was dort oben ist …«
    Auch du Gard hatte kein Interesse, in einen weiteren Hinterhalt zu geraten. So lautlos er es vermochte, schlich er hinter Sarah drein, und tatsächlich ließ die Dunkelheit mit jeder Stufe nach, die sie erklommen. Schließlich endete der Stollen und mündete in eine in den Fels gehauene Kammer, von der zwei weitere Gänge abzweigten. Das blasse Licht, das den Raum erhellte, drang aus dem linken Stollen, der hinauf an die Oberfläche zu führen schien; der andere Gang führte wiederum in unergründliches Dunkel …
    »Das Gewölbe, in dem ich zuerst erwachte, besaß keine Fenster – ich nehme also an, dass es sich unter Tage befand«, überlegte Sarah flüsternd. »Wir werden den rechten Stollen nehmen.«
    »Ich habe geahnt, dass du das sagen würdest …«, erwiderte du Gard.
    Unerschrocken, den schussbereiten Revolver in Händen, drang Sarah in den Felsengang vor. Mehrmals blieb sie stehen und lauschte, aber kein Geräusch war zu vernehmen außer der Brandung, die sie auch während ihrer Gefangenschaft als fernes Rauschen wahrgenommen hatte. In einer Wandhalterung steckte eine halb herabgebrannte Fackel, die Sarah kurzerhand nahm und an du Gard reichte, der sie mit einem Streichholz entfachte. Im flackernden Schein setzten sie ihre Erkundung fort.
    »Qu’est-ce que tu penses, Sarah?«, fragte du Gard leise. »Glaubst du auch, dass die Ordensritter einst die Herren dieser Gewölbe waren?«
    »Ich nehme es an.« Sarah nickte. »Wenn der Vermummte die Wahrheit sagte und ich mit meinen Vermutungen richtig liege, dann diente dieser Ort einst dazu, das Geheimnis des Codicubus zu entschlüsseln. Vielleicht wurde er auch hier aufbewahrt – im Mittelalter dürfte ein Ort wie dieser als uneinnehmbar gegolten haben.«
    »Bis Napoleon kam.«
    »Allerdings«, bestätigte Sarah. »Der Vermummte sagte allerdings, dass sich der Codicubus auch darüber hinaus im Besitz der Ordensherren befunden hätte – ich nehme an, dass einer der letzten Großmeister ihn an seine Nachkommen weitergegeben hat.«
    »An seine Nachkommen? Ich dachte, einem Ordensritter wäre es aufgrund seines Gelübdes verboten gewesen zu heiraten und Nachkommen zu zeugen …«
    »Das stimmt zwar – aber wer ist schon vollkommen?« Über Sarahs Züge huschte der Anflug eines Lächelns. »Die Existenz eines illegitimen Erben hätte natürlich niemals bekannt werden dürfen – und wer wäre geeigneter, ein streng gehütetes Artefakt zu hüten, als jemand, den es offiziell gar nicht gibt?«
    »Du hast recht«, erkannte du Gard verblüfft an.
    »Francine Recassin sagte, dass sich der Codicubus seit Generationen im Besitz ihrer Familie befunden hätte – vielleicht war einer ihrer Vorfahren ein solch illegitimer Spross. Natürlich ist es bislang nur eine Theorie, aber ich nehme an, dass …«
    Sarah verstummte für einen Moment. Als sie wieder sprach, hatte sich ihre Stimme verändert. »Sieh dir das an«, flüsterte sie.
    Rostige Gittertüren säumten den Gang; dahinter befanden sich kleine, dunkle Höhlen. Keine davon war hoch genug, um aufrecht darin zu stehen, nicht einmal nach mittelalterlichen Maßen. Die schroffen Felswände waren von Schimmel überzogen, an den Wänden hingen rostige Ketten.
    »Kerkerzellen«, stellte Sarah angewidert fest. »Offenbar diente die Insel nicht nur als Versteck des

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