Die Flamme von Pharos
der Pflicht, sich die Hände schmutzig zu machen.
»Das ist der Name unseres Bootes.« Der Maat nickte. »Warum fragen Sie?«
»Nur so.« Sarah zuckte mit den Schultern. »Ein schöner Name.«
»Das finden wir auch«, versicherte der Bärtige grinsend und deutete ein wenig unbeholfen auf das Floß. »Wenn Sie nun einsteigen möchten – wir haben nicht weit von hier die Positionslichter eines britischen Schiffes gesichtet, und der Kapitän legt keinen besonderen Wert auf Gesellschaft.«
»Davon haben wir schon gehört«, versicherte Sarah. Zusammen mit du Gard kletterte sie von dem Felsvorsprung und bestieg das Floß, das tatsächlich aus geteerten und luftgefüllten Leinensäcken bestand, die durch eine Konstruktion von Stangen und Seilen zusammengehalten wurden. Ein wenig skeptisch ließen die beiden sich auf dem abenteuerlichen Gefährt nieder, woraufhin der Maat und die beiden ebenfalls grau gewandeten Matrosen es vom Ufer abstießen und zurückruderten.
Die Überfahrt war kurz und für du Gard schmerzlos, was zum einen der ruhigen See, zum anderen aber auch den kräftigen Paddelschlägen zu verdanken war, mit denen Caleb und seine Leute das Floß durch die Wellen trieben. Bereits nach wenigen Minuten erreichte es den stählernen Rumpf des Submarins. Helfende Hände reckten sich Sarah und ihrem Begleiter entgegen und halfen ihnen beim Erklimmen des Decks, das sich in der Tat wie der gewölbte Rücken eines Wals aus dem Wasser erhob.
Es war ein seltsames Gefühl, seinen Fuß auf das Unterseeboot zu setzen. Weder gab es eine Reling noch eine Back; auf dem Deck des Submarins stehend, hatte man den Eindruck, der Naturgewalt des Meeres hilflos ausgeliefert zu sein, was besonders du Gard nicht zu gefallen schien. Einzig der Turm, der sich trutzig mittschiffs erhob, versprach ein wenig Sicherheit – dorthin brachte Caleb die beiden Passagiere, und wie zuvor die Matrosen benutzten Sarah und du Gard die in die Außenhülle eingelassenen Stufen, um den Turm zu besteigen.
Auf der ovalen, etwa drei Yards langen, aber nur halb so breiten und von einem hüfthohen Schanzkleid umgebenen Turmplattform erwartete sie ein Mann, in dem sie sofort den Kapitän des Schiffes erkannten. Hectoire Hulot sah anders aus, als Sarah ihn sich vorgestellt hatte; weder war er von besonders eindrucksvoller Statur, noch verströmte er jene Aura des Geheimnisvollen, die Sarah in Erinnerung an Jules Vernes Roman erwartet hatte. Der eher schmächtige Mann, dessen langer, bis zu den Knien reichender Uniformrock ihn noch kleiner wirken ließ, hatte glattes schwarzes Haar und einen gepflegten Oberlippenbart. Die kleinen Augen in seinem Gesicht verrieten eine gewisse Heiterkeit, als er die beiden Besucher erblickte.
»Lady Kincaid und Monsieur du Gard, wie ich annehme?«, erkundigte er sich lächelnd.
»In der Tat.« Sarah nickte. »Und Sie sind Capitaine Hulot, richtig? Monsieur Verne hat uns viel über Sie erzählt.«
»Der gute Jules beliebt zu übertreiben, was meine Person betrifft«, erwiderte der kleinwüchsige Mann gelassen, »vielleicht ist dies ja ein Kennzeichen seines Berufs. Im Grunde bin ich nur ein bescheidener Erfinder, der im Rahmen der ihm gesteckten Grenzen sein Möglichstes zu geben versucht.«
»Ich weiß nicht recht«, meinte du Gard und ließ seinen Blick vom gewölbten Vordeck bis zum Heck schweifen, wo die Schwanzflosse der ›Astarte‹ steil aus dem Wasser ragte, »offen gestanden kommt mir das alles andere als bescheiden vor.«
»Sie werden sich daran gewöhnen«, prophezeite Hulot lächelnd, »und wenn es so weit ist, werden Sie mir zustimmen.« Beiläufig griff er in eine der Taschen seines Uniformrocks und beförderte eine Uhr zutage, die an einer goldenen Kette hing. »Bitte begeben Sie sich nun rasch unter Deck«, drängte er. »Nicht genug damit, dass wir bereits wertvolle Zeit verloren haben, wurden wir kurz vor Sonnenuntergang auch noch von einem britischen Kriegsschiff gesichtet, das uns …«
»Alarm!«, brüllte in diesem Moment der Matrose, der auf dem Turm Wache hielt und mit Argusaugen hinaus auf die See gespäht hatte. »Schlachtschiff voraus!«
»Verdammt«, stieß Hulot hervor, stürzte zur Schanzung und blickte in die Richtung, die sein Untergebener ihm bedeutete. Tatsächlich war zu sehen, wie die schwarz drohende Silhouette eines Kriegsschiffes hinter den Klippen hervorkam und sich langsam vor die Bucht schob. Die Masten waren abgetakelt und ragten wie knochige Gerippe in die Höhe, während
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