Die Flamme von Pharos
der bullige Schornstein mittschiffs dunkle Rauchwolken spie, die den mattroten Himmel nur noch mehr zu verfinstern schienen.
Hectoire Hulots sanftmütige Züge veränderten sich, wurden hart und entschlossen. Seine eben noch so unscheinbare Gestalt straffte sich, und seine Stimme nahm einen anderen Tonfall an, als er den Befehl gab, die Brückenbeleuchtung zu löschen, die durch das Turmluk heraufdrang, und das Unterseeboot zum Tauchen bereit zu machen.
Die eben noch so beschauliche Stimmung an Bord des Submarins wich hektischer Betriebsamkeit. Jeder der Männer, die an Bord der ›Astarte‹ ihren Dienst versahen, schien genau zu wissen, was er zu tun hatte, jeder Handgriff war eingeübt.
Mit waghalsiger Behändigkeit sprangen einige Matrosen an Sarah vorbei durch das Turmluk, stürzten sich todesmutig ins dunkle Innere des stählernen Kolosses, während diejenigen, die noch auf Deck waren, das Boot tauchklar machten.
»Bitte«, wandte Kapitän Hulot sich drängend an seine Passagiere, »steigen Sie ein. Ich glaube nicht, dass diese messieurs besonders gut auf uns zu sprechen si …«
Der Rest des Satzes wurde von gewaltigem Donner verschluckt, der die ganze Bucht erschütterte. Eine Feuerwolke flammte auf dem Vordeck des britischen Schiffes auf, im nächsten Moment lag ein schrilles Pfeifen in der Luft.
»In Deckung!«, rief Maat Caleb, und noch ehe Sarah und du Gard reagieren konnten, wurden sie von schinkengroßen Pranken gepackt und unter das Schanzkleid des Turmes gedrückt.
Im nächsten Moment verstummte das pfeifende Geräusch. Es gab einen platschenden Einschlag, gefolgt von Tosen und Zischen – und ein prasselnder Salzwasserregen ging über der Turmbesatzung nieder.
»Das war knapp«, stellte Caleb fest. »Einschlag achteraus, nur fünfzig Yards entfernt.«
»Noch drei, vier Versuche, dann haben sie uns«, erwiderte Hulot grimmig. »Zeit zu verschwinden …«
Wie um seine Worte zu bestätigen, erhob ein weiteres Bordgeschütz seine donnernde Stimme – und diesmal war der Einschlag noch näher. Ein Wasserschwall brach über den Brückenturm herein, der alle bis auf die Haut durchnässte.
»Verdammt und zugenäht«, wetterte du Gard, »und das wollen Gentlemen sein? Wo haben deine Landsleute nur ihre Manieren gelassen. Kincaid?«
»Nun«, erwiderte Sarah grimmig, während sie in den Einstieg sprang und die Sprossen der Leiter hinabsetzte, so schnell ihr triefnasses Kleid es zuließ, »ich schätze, wir haben soeben die Seiten gewechselt …«
»Ihnen muss das doch gefallen, du Gard«, rief Hulot, während sich erneut dumpfer Geschützdonner vernehmen ließ.
»Wieso sollte mir das gefallen?« Du Gard hastete hinter Sarah drein und stieß sich dabei heftig den rechten Ellbogen.
»Nun – heute ist der vierte Juli, oder nicht? Soweit ich weiß, pflegen Amerikaner den Gründungstag ihrer Nation doch mit einem Feuerwerk zu begehen.«
»Amerikaner? Ich ein Amerikaner?« Du Gard war so empört, dass er seinen schmerzenden Ellbogen darüber ganz vergaß. »Monsieur, ich bin Franzose wie Sie! Ich mag in den Vereinigten Staaten aufgewachsen sein, aber das ändert nichts daran, dass ich …«
Er verstummte, als die nächste Granate einschlug, diesmal so nahe, dass das Schiff von einer schweren Erschütterung durchlaufen wurde. Während es Sarah noch gelang, sich an einer stählernen Verstrebung festzuhalten, taumelte du Gard gegen ein Stellrad und stieß sich den Kopf, worauf er in wüstes Lamentieren verfiel.
»Zur Kenntnis genommen«, sagte Hulot nur, der bis zuletzt auf dem Turm geblieben war und nun das Luk von innen verriegelte. »Tauchen!«, befahl er daraufhin mit lauter Stimme, und ein hohles Gurgeln ließ sich aus den Tiefen des Unterseebootes vernehmen, das bereits langsam Fahrt aufgenommen hatte.
Erst jetzt kam Sarah dazu, sich umzusehen. Die Kammer, in der sie standen, besaß denselben Grundriss wie die Turmplattform; ringsum waren runde Bullaugen in den grauen Stahl eingelassen, die einen Blick nach draußen ermöglichten; auf ehernen Säulen ruhten mehrere Instrumente, darunter ein Kompass und ein Manometer, das die Tauchtiefe anzeigte. Die vordere Hälfte des Ruderstandes wurde von dem großen Steuerrad eingenommen, das sich auf den ersten Blick in nichts von dem eines gewöhnlichen Schiffes unterschied – ein Steuermann, der wie alle Matrosen der ›Astarte‹ graue Hosen und ein blauweiß gestreiftes Arbeitshemd trug, versah davor seinen Dienst. Von der Mitte der Zentrale aus
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