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Die Flammen der Dämmerung: Roman (German Edition)

Die Flammen der Dämmerung: Roman (German Edition)

Titel: Die Flammen der Dämmerung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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anfingen, im Kreis zu gehen und Inevera und Melan von allen Seiten zu beäugen, so wie Qeva die Würfel geprüft hatte.
    Melan nickte, und der Kreis schloss sich noch enger zusammen; jedes Mädchen konzentrierte sich nun voll und ganz auf Inevera, die das kollektive Starren wie einen vernichtenden, körperlichen Schlag empfand.
    »Melan, was …?« Inevera streckte die Hand aus, während ihr Herz wie wild pochte.
    Melan packte ihr Handgelenk, verdrehte es und zog mit einem heftigen Ruck daran. Inevera fiel gegen sie, Melan griff mit einer Faust in ihr dichtes Haar und nutzte den Schwung ihres Sturzes, um ihren Kopf unter Wasser zu drücken.
    Ein gurgelndes Geräusch erklang, danach hörte sie nur noch das Rauschen von Wasser. Reflexhaft schluckte Inevera Wasser und glaubte zu ersticken, aber unter Wasser konnte sie nicht husten, und ihr Inneres verkrampfte sich schmerzhaft, als sie den Drang zu atmen unterdrückte. Das heiße Wasser verbrühte ihr Gesicht, und sie wehrte sich heftig, doch Melan hielt sie mit eisernem Griff fest, dem Inevera hilflos ausgeliefert war. Sie schlug wild um sich, als ihre Lungen zu platzen drohten, aber genauso wie Soli benutzte auch Melan die Technik des sharusahk , und ihre Bewegungen kamen schnell und präzise. Inevera hatte gegen sie keine Chance.
    Melan brüllte ihr etwas zu, aber der Schall drang nur gedämpft durch das Wasser, und Inevera verstand kein Wort. Sie wusste, dass sie ertrinken würde. Es erschien ihr so absurd. Inevera hatte noch nie in Wasser gestanden, das über ihre Knie reichte. Wasser war kostbar im Wüstenspeer und diente im Basar sowohl als Währung wie als Handelsware. Gold glänzt, aber Wasser ist göttlich, lautete eine Redewendung. Nur die reichsten Einwohner Krasias konnten es sich leisten, in Wasser unterzutauchen.
    Sie hatte schon fast mit ihrem Leben abgeschlossen, als Melan plötzlich an ihrem Arm riss und sie unter lautem Platschen wieder aufrichtete. Ineveras Haar klebte an ihrem Gesicht, sie hustete und sog in tiefen Atemzügen die dampfende, stickige Luft ein.
    »… spazierst einfach hier herein«, kreischte Melan, »sprichst mit der Damaji’ting , als sei sie deine Kissenfreundin, und lernst nach drei Versuchen, den Bido zu flechten!«
    »Drei Versuche?«, staunte ein Mädchen.
    »Allein dafür sollten wir sie töten«, steuerte eine andere bei.
    »Sie hält sich wohl für was Besseres«, meinte eine dritte.
    Durch ihre nassen Haarsträhnen blickte Inevera verzweifelt um sich, doch die anderen Mädchen sahen sie nur mit gleichgültigen Augen an. Keine von ihnen machte den Eindruck, als würde sie auch nur einen Finger krümmen, um ihr zu helfen.
    »Melan, bitte, ich …«, stotterte Inevera, aber Melan verstärkte ihren Griff und stieß sie abermals unter Wasser. Sie schaffte es, den Atem anzuhalten, doch bald wurde ihr die Luft knapp, und wieder schlug sie blindlings um sich, ehe Melan ihr gestattete, wieder aufzutauchen. »Auch wenn ich ein Jahr lang an dich gebunden bin, macht uns das nicht zu Freundinnen. Denkst du, du kannst hierherkommen und über Nacht Kenevahs Platz einnehmen? Vor meiner Mutter? Vor mir ? Ich bin von Kenevahs Blut! Du bist bloß … ein schlechter Wurf.«
    Plötzlich hielt sie ein scharfes Messer in der Hand, und Inevera prallte entsetzt zurück, als Melan es durch die Luft sausen ließ und dicke Strähnen von ihrem Haar abschnitt. »Du bist ein Nichts.« Sie wirbelte das Messer zwischen den Fingern herum, hielt es an der Klinge fest und reichte es mit dem Griff voran dem nächsten Mädchen, das sich ihnen näherte.
    »Du bist ein Nichts«, wiederholte das Mädchen, schnappte sich eine andere Strähne von Ineveras Haar und säbelte sie ab.
    Jedes Mädchen trat vor, übernahm das Messer und schnitt an Ineveras Haar herum, bis nur noch ein zerrupfter, ungleichmäßiger Schatten übrig blieb, von Blutflecken übersät. »Du bist ein Nichts«, intonierten sie der Reihe nach.
    Als sich das letzte Mädchen zurückzog, kauerte Inevera kraftlos im Wasser und weinte. Immer wieder wurde sie von Hustenanfällen geschüttelt, und durch die Krämpfe brannte ihr Hals wie Feuer. Es war, als sollte auch noch der allerletzte Tropfen Wasser in ihren Lungen ausgestoßen werden.
    Kenevah hatte recht. Im Dama’ting-Palast ging es wirklich nicht viel anders zu als auf dem Großen Basar, aber hier gab es keinen Soli, der sie beschützte.
    Inevera dachte an Manvah und was sie zuletzt über Krisha gesagt hatte. Wenn sie Melan und den anderen

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