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Die Flammen der Dämmerung: Roman (German Edition)

Die Flammen der Dämmerung: Roman (German Edition)

Titel: Die Flammen der Dämmerung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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Licht. Bei der leisesten Berührung schnitt sie sich den Finger blutig.
    Sie wusste, dass die Macht von der Sonne weggebrannt würde, aber in diesem Augenblick schien die Waffe unbesiegbar zu sein. Selbst bei Tag würde sie stärker sein als zuvor. Sämtliche Gegenstände, die mit Magie in Berührung kamen, wurden durch diesen Kontakt verbessert. Genauso brauchte sie die Kette nur flüchtig mit dem Poliertuch abzuwischen, um sie in einem frischen Glanz erstrahlen zu lassen, und die Kordel war noch robuster als zur Zeit ihrer Herstellung.
    Bis zum Morgengrauen hielt Renna Wache bei Schattentänzer. Die ersten Sonnenstrahlen fielen auf die verstreut herumliegenden toten Horclinge und setzten sie in Brand. Sie wurde nie müde, sich dieses Schauspiel anzusehen, doch der Preis dafür war hoch. Während die Dämonen verbrannten, fingen die mit Schwarzstängelsaft auf ihre Haut gemalten Siegel an zu kribbeln, als deren Magie abflaute. Das Messer erhitzte sich in seinem Futteral und versengte ihr Bein. Um sich abzustützen, musste sie sich gegen einen Baum lehnen, und sie fühlte sich wie die Marionette eines Jongleurs, der man die Fäden durchtrennt hat. Sie war schwach und halb blind.
    Der Moment der Verwirrung ging jedoch schnell vorbei, und Renna holte tief Luft. Wenn sie sich ein paar Stunden ausgeruht hatte, würde sie sich kräftiger fühlen als zu den besten Zeiten ihres Lebens, und selbst das war nur ein bleicher Schatten verglichen damit, wie sie sich des Nachts fühlte.
    Wie war es möglich, dass Arlen auch im Sonnenlicht seine Energie behielt? Lag es daran, dass seine Siegel dauerhafte Tätowierungen waren und keine mit Schwarzstängelsaft aufgemalten Zeichen? Wenn das zutraf, dann würde sie noch am selben Tag zu Nadel und Tinte greifen.
    Die Kadaver der Dämonen brannten lichterloh, und wenige Sekunden später waren nur noch verkohlter Boden und Asche zu sehen. Renna trat die letzten Feuer aus, ehe sie sich im Gestrüpp ausbreiten konnten, dann endlich gab sie ihrer Müdigkeit nach, rollte sich neben Schattentänzer zusammen und schlief ein.

    Als Renna wach wurde, lag sie immer noch neben Schattentänzer, aber sie ruhte nicht mehr auf dem Bett aus Moos, auf dem sie eingeschlummert war, sondern auf einer rauen Decke in einem sich bewegenden Karren. Sie hob den Kopf und sah Arlen, der das Joch auf den Schultern trug und den Wagen mit beeindruckendem Tempo zog.
    Bei dem Anblick war sie sofort hellwach. Geschmeidig sprang sie auf den Kutschbock, schnappte sich die Leinen und ließ sie laut knallen. Vor Überraschung zuckte Arlen zusammen, und Renna lachte. »Hü!«
    Arlen warf ihr einen wütenden Blick zu, aber Renna lachte wieder. Sie hüpfte vom Karren herunter und lief neben Arlen her. Die Straße war in schlechtem Zustand und an manchen Stellen mit Unkraut überwuchert, doch es war nicht so schlimm, dass es sie am Vorwärtskommen gehindert hätte.
    »Bis nach Süßbrunnen ist es nicht mehr weit«, versprach Arlen.
    »Süßbrunnen?«, fragte Renna.
    »So haben sie die Ortschaft genannt«, erklärte Arlen. »Weil das Brunnenwasser dort so gut schmeckte.«
    »Ich dachte, wir wollten Ortschaften meiden?«
    »In dieser hausen nur Gespenster«, entgegnete Arlen, und Renna hörte den schmerzlichen Unterton heraus. »Vor ein paar Jahren hat die Nacht Süßbrunnen erobert.«
    »Kanntest du den Ort, bevor er erobert wurde?«, fragte sie.
    Arlen nickte. »Als ich noch Kurier war, kam ich gelegentlich dorthin. In der Siedlung lebten zehn Familien. ›Siebenundsechzig fleißige Menschen‹, so bezeichneten sie sich selbst mit Vorliebe. Sie hatten ein paar Schrullen, aber sie freuten sich über jeden Kurier, und sie brannten den schärfsten Whiskey, den ich je getrunken habe.«
    »Du hast nie den Whiskey meines Dads gekostet«, knurrte Renna. »Der war nicht nur zum Trinken gut, den konnte man auch anstelle von Lampenöl benutzen.«
    »Der Whiskey aus Süßbrunnen war so stark, dass der Herzog von Angiers ihn ächten ließ«, erzählte Arlen. »Er strich den Ort von den Landkarten und befahl der Kuriergilde, ihn nicht mehr aufzusuchen.«
    »Aber ihr seid trotzdem hingegangen«, folgerte Renna.
    »Selbstverständlich, beim Horc nochmal!«, fluchte Arlen. »Wie kommt der Herzog dazu, einen Ort einfach von der Außenwelt abzuschneiden, was glaubt er denn, wer er ist? Außerdem konnte ein Kurier mit einer einzigen Fuhre Whiskey von Süßbrunnen so viel verdienen wie sonst in einem halben Jahr. Und ich mochte die Brunnenleute.

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