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Die Flammen der Dämmerung: Roman (German Edition)

Die Flammen der Dämmerung: Roman (German Edition)

Titel: Die Flammen der Dämmerung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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Sie hatten den ganzen Ort durch Siegel geschützt, und Tag und Nacht herrschte dort ein reges Leben und Treiben. Schon aus einer Meile Entfernung konnte man sie singen hören.«
    »Was ist passiert?«
    Arlen zuckte mit den Schultern. »Ich fing an, weiter im Süden zu arbeiten, und blieb dem Ort ein paar Jahre lang fern. Erst als ich begann, meine Haut zu tätowieren, kam ich wieder in diese Gegend. Damals hatte ich monatelang in der Wildnis gehaust. Ich fühlte mich so einsam, dass ich mich laut mit Schattentänzer unterhielt und Konversation für uns beide machte. Ich drehte langsam durch, das war mir klar.«
    Renna dachte daran, wie oft sie auf diese Weise mit den Tieren auf dem Hof ihres Vaters gesprochen hatte. Wie viele innige Gespräche hatte sie mit Missis Scratch oder Hoofy geführt? Obwohl Harl bei ihr war, hatte sie erlebt, was es hieß, einsam zu sein.
    »Eines Tages merkte ich, dass ich mich in der Nähe von Süßbrunnen befand«, fuhr Arlen fort. »Ich beschloss, meine Hände und das Gesicht mit Stoff zu umwickeln und den Leuten irgendein fantastisches Märchen aufzutischen, mich hätte Feuerspeichel verbrannt. Ich sehnte mich danach, mit einem Menschen zu reden und ihm zuzuhören. Aber als ich in den Ort hineinritt, herrschte dort zum ersten Mal Stille.«
    Sie passierten eine Baumgruppe, und das Dorf kam in Sicht. Zehn massive Häuser mit Strohdächern und ein Heiliges Haus standen in einem akkuraten Kreis um einen freien, mit Planken ausgelegten Platz, in dessen Mitte sich ein großer Brunnen befand. Der äußere Rand war mit Siegelpfosten abgegrenzt, und jedes Haus hatte zwei Stockwerke; das obere diente als Wohnung, unten lagen Werkstätten und Geschäfte. Es gab eine Schmiede, eine Taverne, einen Stall, eine Bäckerei, eine Weberei und noch verschiedene andere Betriebe, deren Zweck sich nicht ohne Weiteres erkennen ließ.
    Renna beschlich ein mulmiges Gefühl, als sie den Platz überquerten und zum Stall gingen. Alles wirkte so gut erhalten. Nichts deutete auf einen Dämonenangriff hin, und es schien, als könnten jeden Moment Leute aus den Gebäuden treten. In Gedanken sah sie, wie ihre Geister irgendwelchen alltäglichen Verrichtungen nachgingen.
    »Als ich herkam, war die Promenade voller Knochen und Blut und Dämonenscheiße«, erzählte Arlen. »Es stank immer noch, als läge der Überfall erst wenige Tage zurück! Wenn ich nur ein bisschen früher gekommen wäre, hätte ich vielleicht …«
    Renna drückte seinen Arm, sagte jedoch nichts.
    »Einer der Siegelpfosten sah aus, als sei er vom Wind umgeknickt und weggeweht worden«, fuhr Arlen fort. »Baumdämonen müssen die Lücke entdeckt und die Leute überrumpelt haben, als sie gerade ihre Abendmahlzeit einnahmen. Einige flüchteten in die Nacht hinaus, aber als ich sie suchte, fand ich nur noch ihre Überreste.«
    Renna konnte sich das Bild lebhaft vorstellen, wie die Einwohner von Süßbrunnen auf dem Dorfplatz an Holztischen saßen und gemeinsam speisten. Der Angriff der Horclinge traf sie völlig unvorbereitet. Sie konnte die Schreie hören und sehen, wie die Menschen starben. Von alledem wurde ihr schwindelig, und sie sank auf die Knie, als sich ihr der Magen umdrehte.
    Im nächsten Moment legte Arlen ihr seine Hand auf die Schulter, und Renna merkte, dass sie geweint hatte. Verlegen blickte sie zu ihm hoch.
    »Dafür brauchst du dich nicht zu schämen«, tröstete er sie. »Ich habe mich damals noch viel elender gefühlt.«
    »Was hast du gemacht?«, wollte sie wissen.
    Arlen blies den Atem aus. »Ein paar Wochen lang war ich wie von Sinnen. Tagsüber begrub ich die Gebeine und betrank mich mit Whiskey, nachts tötete ich im Umkreis von zehn Meilen jeden Horcling.«
    »Als wir hierherkamen, habe ich frische Dämonenspuren gesehen«, bemerkte Renna.
    Arlen knurrte. »Morgen früh werden die Freudenfeuer brennen.«
    Renna legte die Hand auf den Griff ihres Messers und spuckte auf die Bodenbretter. »Ganz bestimmt.«
    Sie begaben sich zum Stall, und Arlen hievte Schattentänzer vom Karren auf den Boden. Er ächzte ein wenig, doch es gelang ihm ohne besondere Mühe. Renna glaubte nicht, dass sie diese Arbeit geschafft hätte, selbst dann nicht, wenn ihre Kräfte durch die nächtliche Magie gestärkt waren.
    »Wir brauchen Wasser«, stellte Arlen fest.
    »Ich hole welches.« Renna wollte zum Brunnen in der Mitte des Dorfplatzes laufen. »Ich bin gespannt, wie Wasser schmeckt, das so süß ist, dass man einen Ort danach benannt hat.«
    Arlen

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