Die Flammen der Dämmerung: Roman (German Edition)
las.
»Du hast ihn immer noch sehr gern«, sagte sie. »Als wäre er dein Bruder.«
Arlen zuckte mit den Schultern. »Für mich war er ein ganz besonderer Freund, und ich habe mit der Zeit viele Freundschaften geschlossen. Er war stolz und manchmal grausam, nach Art der Sharum . Wir stritten uns oft, aber wenn es darum ging, mir in der Nacht Rückendeckung zu geben, dann war er derjenige, dem ich in meinem ganzen Leben am meisten vertraut habe.« Plötzlich erschauerte er, obwohl die Nacht nicht kalt war. »Zumindest bis er mir das Messer in den Rücken stieß.«
»Und du glaubst, ihn von einer Klippe zu werfen wäre die richtige Antwort«, stellte Renna fest.
Wieder zuckte Arlen mit den Schultern. »Ich weiß es nicht, Ren, aber ich kann den Dingen auch nicht ihren Lauf lassen. Wir müssen etwas verändern, zum Wohle aller. Etwas unternehmen, womit die Seelendämonen nicht rechnen.«
»Ich mache mir wirklich Sorgen, wenn du bis dorthin schlittern willst«, gab sie zu.
»Denkst du, ich nicht?« Wieder atmete Arlen tief durch. Renna nahm sein Kinn in die Hand, drehte sein Gesicht zu sich und küsste ihn. »Ich liebe dich, Arlen Strohballen.«
Er spürte, wie ein wenig von seiner Anspannung abfiel, und er lächelte. »Und ich liebe dich, Renna. Während ich fort bin, musst du das Tal beschützen.«
Renna nickte. »Aber komm ja schnell zurück.«
»Das schwöre ich bei der Sonne«, sagte Arlen und verschwand.
Sofort spürte Arlen den Ruf des Horc, dem Ursprung aller Magie, der darum flehte, erforscht zu werden. Rings um ihn her, in Tunneln und Schächten, war seine wahre Macht spürbar. Er schlug den nächsten dieser Pfade ein und achtete darauf, die Orientierung nicht zu verlieren, während er durch Schichten aus Erde und Stein glitt. Er fühlte einen Weg, der nach Südwesten ging, ehe er die Oberfläche durchbrach, vertraute sich ihm an und schlitterte mit der Geschwindigkeit eines Lichtstrahls auf ihm entlang.
Im nächsten Moment nahm er an der Oberfläche wieder eine körperliche Gestalt an, blickte um sich und versuchte, sich zu orientieren. Er kannte diesen Ort, der vielleicht ein Dutzend Meilen vom Tal entfernt lag.
Das genügt nicht, dachte er. Ich muss tiefer hinabsteigen.
Abermals glitt er unter die Oberfläche, und dieses Mal sank er so weit nach unten, dass aus dem Ruf des Horc mehr wurde als nur ein verführerisches Lied. Er füllte seine Sinne mit Licht und Schönheit, zog ihn an, wie eine Flamme eine Motte zu sich lockt. Eine Ranke seines Selbst trieb langsam in diese Richtung, wollte nur eine Kostprobe dieser grenzenlosen Macht schmecken. Nichts wäre einfacher als …
Nein! Er hatte keinen Kopf, den er schütteln konnte, aber er zog seine körperlose Form zusammen, suchte rasch einen anderen Weg an die Oberfläche, ritt auf der Strömung in südwestlicher Richtung.
Kurz darauf verstofflichte er sich und stand unter einem wolkenlosen Himmel. Sehr schnell merkte er, dass er über sein Ziel hinausgeschossen war. Er hatte keine Ahnung, wo genau er sich befand, aber er wusste, dass er irgendwo in den Lehmebenen der krasianischen Wüste gelandet war, über denen die nächtliche Kälte lag.
Er drehte sich einmal im Kreis und prüfte die vom Wind herbeigewehte Magie, bis er seinen Standort kannte. Er war weniger als einen Tagesritt von dem Waffenlager entfernt, das er außerhalb von Anochs Sonne angelegt hatte. Er merkte sich den Pfad. Es war wichtig, dass er die verlorene Stadt noch einmal aufsuchte, bevor die Seelendämonen sie beim nächsten Neumond zerstören konnten, doch für diese Nacht hatte er etwas anderes geplant. Wieder sank er hinunter, und dieses Mal schlitterte er nach Nordwesten.
Nach ein paar weiteren Sprüngen gelangte er endlich in Sichtweite von Rizon. Arlen hätte noch weiter an sein Ziel heranschlittern können, aber jedes Mal lockte der Horc, und wie eine Katze, vor der ein Faden baumelt, würde er nicht ewig widerstehen können. Also fing er an zu rennen und legte barfuß Meile um Meile zurück. Einmal entdeckte ihn ein Rudel Felddämonen und nahm die Verfolgung auf, doch selbst denen lief er mittlerweile davon. Die Dämonen fielen immer weiter zurück, bis sie die Jagd aufgaben und sich eine leichtere Beute suchten.
Um die Dörfer und Wachposten machte er einen Bogen, bis er an ein einsames Wächterhäuschen gelangte, das mit Siegeln versehen war, um den dort postierten Sharum , einen Eilläufer, zu schützen. Er verlangsamte sein Tempo und sorgte dafür, dass der
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