Die Flammen der Dämmerung: Roman (German Edition)
andere Frau an ihre Stelle zu setzen. Wie lange würde es dauern, bis er einen zweiten Anlauf nahm, um ihr zu schaden?
Sie hatte das Blut aus dem Tuch gewonnen, als es noch frisch war, und es in einer versiegelten Phiole verwahrt. Jetzt nahm sie es und goss es über ihre Würfel. »Allmächtiger Everam, gib mir Wissen über Abban asu Chabin am’Haman am’Kaji. Kann man darauf vertrauen, dass er dem Erlöser dient? Wird er fortfahren, gegen mich zu intrigieren?« Als sie die Würfel in der Hand schüttelte, spürte sie, wie sie warm wurden. Dann warf sie sie auf den Boden und starrte auf die hell leuchtenden Symbole.
Wie immer war sie bereit, sich von ihnen leiten zu lassen, aber auf die Antwort, die sie erhielt, war sie nicht gefasst.
– Der khaffit ist dem Erlöser treu ergeben. Dein und sein Schicksal sind miteinander verwoben. Das Leid, das einem von euch zugefügt wird, ist auch das Leid des anderen. –
30
Mein treuer Freund
333 NR – Herbst
A rlen holte tief Luft. Er war es nicht gewöhnt, sich dermaßen zu fürchten.
»Bist du sicher, dass du das tun musst?«, fragte Renna.
Arlen nickte. »Ich kann das nicht noch länger hinausschieben. Das Tal erholt sich wieder, und die Leute wissen jetzt, was sie erwartet. Rojers Jongleure verbreiten die Nachrichten überall im Herzogtum, und die Menschen werden aus allen Richtungen hierherströmen, wenn sie erfahren, dass wir gesiegt haben. Beim nächsten Neumond ist die Abwehr noch stärker als in der letzten Neumondphase. Bis zur Tagundnachtgleiche sind es nur noch zwei Wochen, und zehn Tage später haben wir Neumond. Ich muss es tun, und zwar sofort. Die Zeit reicht nicht, um den langen Weg nach Rizon zu reiten. Ich werde vorsichtig sein, ich lasse mich nicht in den Horc hineinziehen.«
Ehe Renna antworten konnte, drehte er sich zu ihr um. An ihrer Aura merkte er, dass er die Frage falsch verstanden hatte. »Du hast nicht gemeint, dass ich nicht so weit schlittern soll. Du glaubst, ich sollte überhaupt nicht hingehen.«
Renna maß ihn mit einem Blick, der zu der Verärgerung in ihrer Aura passte. »Diese Jongleurnummer, mit der du auf einmal Gedanken lesen kannst, wird den Leuten langsam unheimlich.«
»Mit Gedankenlesen hat das nichts zu tun«, widersprach Arlen.
»Dann liest du eben in den Herzen der Menschen«, sagte Renna. »Es wird jedenfalls schwierig, sich mit dir zu unterhalten, wenn du jemanden anschaust und dessen Gefühle besser kennst als er selbst.«
Arlen lachte. »Beim Schöpfer, ich wünschte, das wäre so.«
Renna wandte den Blick ab und schaute hinauf zu den Sternen, weil er ihr Gesicht nicht sehen sollte – als ob sie jetzt noch etwas vor ihm verbergen könnte. »Manchmal denke ich, du steckst in meinem Kopf drin, so wie dieser Dämon damals …«
»So ist es aber nicht, Ren.« Arlen legte eine Hand auf ihre Schulter. »Durch die Siegel an deinen Augen siehst du dasselbe wie ich. Wahrscheinlich geht das jedem so, dessen Sehkraft durch Magie verstärkt wird. Schau genau hin, und du erfährst eine ganze Menge über einen Menschen. Ich bin auch erst seit Kurzem dahintergekommen, und ich habe ein bisschen gemogelt, denn als ich mich in den Gedanken dieses Seelendämons befand, stahl ich etwas von seiner Sprache. Bald werde ich imstande sein, es dir beizubringen, so oder so.«
»Ich finde, das hört sich gar nicht gut an«, entgegnete Renna. »Ich liebe dich, Arlen Strohballen, aber mein Kopf gehört ausschließlich mir. Da lass ich keinen rein.«
Arlen nickte. »Recht hast du.«
Sie sah ihn an, und in ihrer Aura vibrierte Belustigung. »Bilde dir nicht ein, du hättest mich überlistet, indem du das Thema gewechselt hast. Bist du sicher, dass diese Reise eine gute Idee ist? Ist es wirklich das, was du willst?«
Arlen schüttelte den Kopf. »Das Einzige, was ich immer wollte, war, Dämonen zu töten. Ich wollte keinen Krieg gegen Krasia führen. Ich wollte nicht, dass Miln die Geheimnisse des Feuers dazu nutzt, um Waffen herzustellen. Ich wollte nicht der verdammte Erlöser sein.«
Er seufzte und fühlte sich auf einmal ungeheuer müde. »Aber wie es scheint, will die Welt aus mir einen Erlöser machen, ob es mir nun passt oder nicht. Und das nur, weil Ahmann Jardir glaubt, der Schöpfer spräche zu ihm.«
Renna legte den Kopf schräg und musterte ihn. Sie versucht, meine Aura zu lesen, dachte er und war überrascht, wie sehr ihn der Gedanke beunruhigte. Er spürte eine Strömung, als sie einen Hauch von Magie durch ihn zog. Ihn
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