Die Flammen der Dämmerung: Roman (German Edition)
aber unerschrocken vor den riesenhaften Baumdämon; es war, als würde eine Hauskatze einen Nachtwolf anfauchen. Trotzdem behauptete sie kühn ihren Platz, hielt dem Blick des Horclings stand, und als er die Krallen nach ihr ausstreckte, hob sie eine Fiedel, setzte den Bogen auf die Saiten und fabrizierte eine Folge von schrillen, kreischenden Tönen.
Der Dämon brüllte und schlug nach ihr, aber das Mädchen wich ihm mit einem Sprung aus, rollte in Purzelbäumen über den Boden und kam wieder auf die Füße, ohne ihr Spiel auch nur ein einziges Mal zu unterbrechen. Der Horcling hielt sich mit den Pranken die Ohren zu und taumelte schreiend zurück.
Wieder begann die Luft auf diese verwirrende Weise zu flimmern, und hinter dem Dämon tauchte eine großgewachsene Frau auf. Die Bestie bemerkte sie erst, als sie mit einer wuchtigen, durch Siegel verstärkten Klinge ausholte und einen ihrer dürren Arme abhackte. Die Verletzung und das misstönende Quietschen der Fiedel setzten dem Dämon so zu, dass er flüchtete und dabei direkt auf Arlen und Renna zustürmte. Arlen hielt kaum in seinem Lauf inne, packte den Horcling bei einem seiner Hörner, zog ihn an sich heran und zeichnete ihm flink ein Hitzesiegel auf die Brust. Mit Schwung schleuderte er den Dämon von sich weg, der lichterloh in Flammen aufging, und rannte weiter zu dem verwundeten Holzfäller.
Beide Frauen rissen die Augen auf, als sie Arlen auf sich zukommen sahen; in ihren Blicken lag ein Ausdruck des Erkennens, vermischt mit Bestürzung und einer gewissen Furcht. Diejenige, die dem Horcling den Arm abgehackt hatte, erholte sich am schnellsten von ihrer Verblüffung.
»Wird auch höchste Zeit, dass du dich endlich wieder blicken lässt«, rief sie, kniete neben dem Verletzten nieder und zog aus einer Schürze mit vielen Taschen Gerätschaften, um die Wunden zu versorgen. Das junge Mädchen fuhr fort, Arlen mit offenem Mund anzustarren.
Arlen verzog die Lippen. »Ich freue mich auch, dich zu sehen, Darsy.« Er wandte sich an das Mädchen. »Kümmere dich um deine Musik, Kendall.« Er deutete mit dem Kinn auf die Fiedel, ehe er neben der Kräutersammlerin auf die Knie sank. Kendall riss sich zusammen, hob die Fiedel und suchte die Umgebung nach weiteren Gefahren ab.
Der Holzfäller hustete krampfhaft, Blut spritzte in Arlens Gesicht, dann rührte sich der Mann nicht mehr. Ohne auf das Blut zu achten, hielt Arlen ihn fest, während Darsy seine Verletzungen untersuchte.
»Bei der Nacht«, flüsterte sie. Drei tiefe Wunden zogen sich von seiner Brust bis zur Hüfte, und er blutete stark. »Wir können nichts mehr für ihn tun.«
»Dämonenscheiße«, widersprach Arlen, drückte mit einer Hand die Ränder der ersten Wunde zusammen und zeichnete mit der anderen ein paar Siegel in die Luft. Ein matter Lichtschein umgab ihn, während er arbeitete, und fassungslos sahen Darsy und das Mädchen zu, wie sich die tödlichen Wunden nach und nach schlossen.
Plötzlich holte der Mann tief Luft, fing wieder an zu husten und versuchte aufzustehen. Arlen legte ihm eine Hand auf die Brust und drückte ihn auf den Boden zurück. Dann öffnete der Mann die Augen und sah Arlen an. »Du bist zurückgekommen«, krächzte er.
Arlen lächelte. »Natürlich, was hattest du denn gedacht, Jow Holzfäller.«
»Sie sagten, du hättest uns im Stich gelassen«, wisperte Jow, »aber ich habe nie den Glauben an dich verloren.«
Arlen kniff die Lippen zusammen, aber er bückte sich, hob den Mann hoch wie ein Kind und trug ihn in die Sicherheit des durch Siegel geschützten Kreises. Dort hielt sich ein Fürsorger auf, ein älterer Mann mit einem Bart, der grau war wie eine Regenwolke. Über seiner schlichten braunen Robe trug er ein Chorhemd aus einem dicken Stoff, das mit Schutzsiegeln und der Abbildung eines Krumstabs verziert war, dem Symbol seines Ordens. Als der Mann Arlen erblickte, weiteten sich seine Augen, aber er eilte sofort mit einem Gehilfen herbei, übernahm Jow und führte ihn zu einem mit Schutzzeichen versehenen Zelt, dessen Eingangsklappen ebenfalls der Stab des Fürsorgers schmückte. Im Gehen ließ er Arlen nicht aus den Augen, und als er nach kurzer Zeit das Zelt wieder verließ, trug er einen Stab aus poliertem Goldholz, in den Siegel eingeschnitzt waren, und beobachtete aus dem sicheren Zirkel heraus das Treiben auf der Lichtung.
Mittlerweile ebbte die Schlacht ab, und der Prinz, der von einem Gefecht zum anderen gestürmt war, stand plötzlich ohne einen
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