Die Flammen der Dunkelheit
hinweg. »Oh, du vergisst, Grian hat entschieden! Ihre Worte sind Gesetz. Niemand würde an der Weisheit ihrer Wahl zweifeln!«
»Ach wirklich?« Dorc zog die Augenbrauen hoch. »Hast du nicht eben das Gegenteil behauptet?«
Lasair wurde rot und sprach hastig weiter, worüber er froh war, denn er wollte unbedingt wissen, was danach geschehen war. »Ohne Aithreo hätten wir nie überlebt!«, sagte sie ein wenig zu heftig, was sie nur verlegener machte. Mit glühenden Wangen fuhr sie fort: »Jedenfalls fiel Néal bei dem Kampf verwundet über die Klippen und stürzte ins Meer. Er ist nicht mehr aus den Fluten aufgetaucht und seine Leiche wurde nie gefunden. Und es war, als wäre durch diesen sinnlosen Tod eine Macht entfesselt worden, die uns endgültig ins Unglück stürzte. Die Menschen begannen einen vernichtenden Krieg gegen uns und ein großer Teil der Aos Sí musste sterben. Doch noch leisteten wir Widerstand, und nichts war entschieden, bis das Ungeheuerliche geschah: Grian wurde hinterrücks überfallen und geriet in Gefangenschaft. Das ganze Geschehen verlief so seltsam, dass wir bis heute überzeugt sind, dahinter steckte Verrat. Doch wir haben nie herausgefunden, auf welche Weise und von wem dies eingefädelt wurde.«
Sie seufzte und senkte den Kopf. Für eine Weile schwieg sie erneut, vielleicht hatten die Erinnerungen sie erschöpft. Als Dorc schon nicht mehr damit rechnete, fuhr sie fort. »Seitdem hegt Aithreo ein tiefes Misstrauen gegen jeden von uns, obwohl er gleichzeitig alles getan hat, um uns zu beschützen. Es ist, als hätte sich ein Schatten über ihn gelegt.« Ein Zittern lief über ihren Körper, als würde sie frieren. »Trotzdem sind wir durch ihn wieder erstarkt, und er setzt seine gesamte Macht daran, Grian zu finden, damit wir überleben können. Nicht nur er, wir alle richten unser ganzes Leben darauf aus, Grian zu erlösen. Denn Grian heißt nicht nur so, sie ist, ja, verstehst du, sie selbst ist die Sonne, Dorc, und ihre Kräfte sind unermesslich, aber irgendwann wird sie verlöschen, wenn wir sie nicht befreien. Die Folgen ihrer Gefangenschaft kann jedes Lebewesen auf der Insel seit vielen Jahren spüren.«
Lasair drehte den Kopf und versuchte Blickkontakt mit Dorc aufzunehmen, ihre Stimme wurde wieder eindringlicher. »Nicht nur unser Leben hängt davon ab. Die Menschen wollen es einfach nicht begreifen und weigern sich den Zusammenhang zu sehen. Diese Welt wird ohne Sonne nie Bestand haben.« Erregt schüttelte sie seinen Arm, vielleicht weil er mit unbewegter Miene vor sich hinstarrte. »Begreifst du? Alle werden sterben! Alle!«
Sie erhielt keine Antwort, und für einen Augenblick hatte sie den Eindruck, Dorc hätte ihre ganze Rede oder ihre letzten Worte gar nicht verstanden. Aber er hatte oft genug gezeigt, dass er inzwischen furchtlos genug war, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen, und sie wusste, dass er erst recht nicht dumm war, sondern nur zutiefst verletzt von dem, was ihm widerfahren war. Nachdenklich ließ sie ihre Blicke über die Umgebung wandern, die ihr auf einmal fremd erschien. Im Grunde war jeder Einzelne von ihnen auf die eine oder andere Weise beschädigt, dachte sie. Und in welchen Herzen war keine Dunkelheit zu finden! Wie zum Hohn tanzten um sie herum buntschillernde kleine Vögel und Schmetterlinge über zarten Blüten in den herrlichsten Farben. Lasair drehte den Kopf weg.
»Es schien immer so klar, Dorc. Wir waren die Guten und die anderen die Schlechten. Indem ich dich und Glic begleitete, habe ich nicht zuletzt durch euer Schicksal gelernt, dass die Dinge selten einfach sind und alles mehrere Seiten hat. Was ich jetzt erkenne, lässt mich schaudern. Wir haben Blut an den Händen und Schuld auf uns geladen.« In ihrer wieder leise gewordenen Stimme schwang tiefe Verzweiflung mit. »Was ist nur aus uns geworden?« Sie bekam erneut keine Antwort und verstand auch dies. Als Dorc aufstand und ging, blieb sie still sitzen.
Er hatte genug gehört. So viele Gedanken stürmten auf ihn ein. Dorc war sicher, dass Lasair ihm die Wahrheit gesagt hatte, aber alles in ihm wehrte sich, Teil der Geschichte dieses Dämonenvolks zu sein oder zu werden. Trotzdem konnte er nicht sagen, gegen wen oder was genau sich sein Groll richtete, er kam sich einfach nur hilflos und von allen Seiten benutzt vor. Einen Ausweg konnte er nirgends erkennen, und sein Innerstes war zu sehr in Aufruhr, um eine Entscheidung zu treffen.
Nachdem er ein paar Schritte gegangen und am Ufer des
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