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Die Flammen der Dunkelheit

Die Flammen der Dunkelheit

Titel: Die Flammen der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyne Okonnek
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Flammenkrieger sein? Mit dem Bogen schob sie seinen Umhang auseinander und entdeckte verblüfft nicht die Flamme, sondern das königliche Wappen auf seiner Jacke. Achselzuckend ließ sie ihn liegen, es war die gleiche scheußliche Brut.
    Als sie die Schutzmauer erreichte, die den Palast samt Nebengebäuden von der Stadt trennte, sah sie, dass das Tor geschlossen war. Das stellte für sie kein Hindernis dar. Sie wählte die Gestalt einer Taube, um nicht aufzufallen, von diesen gab es genügend in der Umgebung. Sie flatterte an Mauer, Nebengebäuden und schließlich am Palast entlang, bis sie unter dem Dach ein offenes Fenster fand. Auf dem Sims hin und her trippelnd beäugte sie das Innere. Es war die schmale Kammer eines Bediensteten, sein ungemachtes Bett leer. Dídean zögerte nicht länger und verwandelte sich, kaum war sie in dem Raum. Leise öffnete sie die grob gezimmerte Tür. Der Gang war leer. Im ganzen Stockwerk befand sich niemand. Auf der Treppe konnte sie von weiter unten Stimmen hören, doch diese kamen aus der Halle. Die Menschen überlegten, ob und wie man den Eingang verbarrikadieren könnte. Dídean lächelte. Sollte sie ihnen mitteilen, dass dies sinnlos war? Nein, es war besser, sie konzentrierte sich auf ihre Aufgabe! Noch vorsichtiger schlich sie im zweiten Stock den Flur entlang. Sie durfte niemandem in die Arme laufen, der sie kannte.
    Den Mann, der ihr in der Nähe des gesuchten Zimmers entgegenkam, hatte sie nie zuvor gesehen. Unangenehm war es trotzdem, denn es war ein Wachsoldat, der im Gebäude nach dem Rechten sah. Er schien noch jung und unerfahren, sicher hatte man ihn deshalb hier eingesetzt, wo es keine besonderen Fertigkeiten und Kriegskünste brauchte, zumindest dachten das die Menschen wohl, dumm wie sie waren. Sie hielt den Bogen hinter sich und ging ganz ruhig weiter, aber sobald sie nahe genug war, blieb der Mann mit einem erstickten Laut stehen und starrte ihr ins Gesicht. Er hatte also ihre nichtmenschlichen Augen doch noch wahrgenommen. Der Wachsoldat hatte nicht einmal die Zeit, um zu überlegen, wie er reagieren sollte, da lag er auch schon tot zu ihren Füßen, erstochen von seiner eigenen Waffe. Zitternd lehnte sie sich an die Wand. Die kurze Berührung des eisernen Griffs hatte sie erschöpft. Ihr Blick fiel auf den Toten und seine Jugend bewegte sie. Etwas wie Bedauern stieg in ihr auf. Dann drehte sie schnell den Kopf weg.
    »Soldat bleibt Soldat«, murmelte sie. »Hatten sie jemals Erbarmen mit uns? Sie sind alle Mörder!«
    Als sie endlich die reich verzierte Tür erreichte, lehnte sie den Kopf an das Holz und lauschte. Leichte Schritte, feines Rascheln und ein leises Klirren sagten ihr, dass sie nicht umsonst gekommen war. Vermutlich suchte diese törichte Frau gerade in aller Ruhe den Schmuck für heute aus, während ihre Untertanen für sie starben. Geräuschlos drückte Dídean die Klinke nach unten und öffnete die Tür einen Spalt. Wie gedacht stand die Gesuchte mit dem Rücken zu ihr vor der Anrichte und durchwühlte die Schatulle. Lautlos schob sich Dídean in das königliche Zimmer und blieb stehen. Kopfschüttelnd betrachtete sie die Verhasste, die sich doch tatsächlich den Krönungsmantel über die Schultern gelegt hatte. Ihre Haare waren nicht hochgesteckt und Dídean sah befriedigt, dass sie erheblich an Glanz verloren hatten und fahler wirkten. Selbst die schönen Locken waren verschwunden. Vielleicht waren sie ohnehin künstlich gewesen. Sie war gespannt, ob das Weib immer noch ganz Königin bleiben würde, wenn sie zur Rede gestellt wurde, und fieberte auf den Moment hin, an dem Aurnia die Beherrschung verlieren würde. Doch dann war sie selbst diejenige, die unerwartet die Fassung verlor. Aurnia hatte einen Ring aus dem Schmuckkästchen genommen. Sie hob ihn hoch, drehte ihn hin und her und verfolgte das Lichtspiel, das er an die Wand vor ihr warf. Offensichtlich gefiel er ihr, denn sie steckte ihn sich an den Finger. Dídean stockte der Atem, als sie den Ring erkannte. Maidin hatte ihn ihrer Tochter geschenkt, und es hieß, sie habe das goldene Licht des Mittags in ihn eingeschlossen. In der Tat leuchtete der Stein, als besäße er ein Eigenleben. Grian hatte ihn Tag und Nacht getragen, nie war sie ohne ihn zu sehen gewesen. Einen Moment schloss Dídean von dieser Erinnerung überwältigt die Augen. Dann kochte weißglühender Zorn in ihr hoch. Grians Ring an dieser Hand! Das war Frevel! Sie war nicht mehr in der Lage, einen klaren Gedanken zu

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