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Die Flammen der Dunkelheit

Die Flammen der Dunkelheit

Titel: Die Flammen der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyne Okonnek
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nichts ausgesprochen, aber ich kann es spüren. Wie eine Druckwelle gleitet es aus der Ferne auf mich zu. Ich bin nicht einverstanden! Der Weg, den ich gehe, ist bereits gefährlich genug, für mich und für andere. Ich habe mir nie eingebildet, jemand mit besonderen Fähigkeiten zu sein. Ebenso wenig strebe ich nach Ruhm, was allgemein bekannt sein dürfte. Deshalb wäre es mir unverständlich, wenn ich für zusätzliche heikle Missionen ausgewählt würde. Ich sollte mir ernsthaft überlegen abzulehnen, falls das Befürchtete eintrifft. Es darf nicht sein, dass ich der Einzige bin, der es bewältigen kann. Oder soll ich nicht besser sagen ›könnte‹, denn noch ist unsicher, dass es gelingen wird? Doch seltsam, ich bin geneigt zu glauben mich leicht überreden zu lassen. Dabei empfinde ich mich nicht als wankelmütig. Warum also bin ich so erpicht auf Gefahr? Ich weiß zu wenig, aus diesem Grund kann ich nicht sagen, ob mich jemand heimlich beeinflusst, sich in meine Gedanken und in mein Herz schleicht. Manchmal fürchte ich, mich zu verlieren. Die Angst zumindest scheint aus mir selbst herauszuwachsen. Sie wird größer und größer, und trotzdem stehe ich jeden Tag auf, um meine Aufgabe zu erfüllen. Wie lange wird das noch gut gehen?
    Cathair-lonrach,
die 113764. Nacht seit dem Untergang der Sonne
    Leise summte Aurnia vor sich hin. Sie fühlte sich seltsam beschwingt, während ihre Finger Stich um Stich ein schwieriges Muster auf den Kragen eines Hemdes stickten. Zu ihrer Freude kam sie gut voran. Jetzt zahlte sich der harte Drill der Mutter doch noch aus. Nicht einmal die Erinnerung an die Schläge der Verrückten konnte Aurnias Laune trüben. Das war Vergangenheit und die Gegenwart erwies sich als weitaus erfreulicher. Sie liebte die Stunden, in denen sie allein sein und den eigenen Gedanken nachhängen konnte, statt sich um die Wünsche anderer zu kümmern oder deren Vorstellungen zu erfüllen. Der Regen, der an die Fenster prasselte, störte sie nicht, ja, sie hörte ihn kaum.
    Gelegentlich wühlte sie in dem Korb neben sich und zog ein Blatt Papier hervor, um es versonnen zu betrachten. Was für eine zauberhafte Blume er für sie gezeichnet hatte!
    »Brone«, flüsterte sie zärtlich den Namen des Malers und fuhr mit dem Finger die Konturen nach. Die leuchtend gelben Blütenblätter wirkten so lebensecht, dass Aurnia meinte, einen zarten Duft riechen zu können. Am liebsten hätte sie das Bild aufgehängt, aber sie wollte keinen Tratsch. Sorgsam verbarg sie es wieder unter einem Berg von Wolle. Auch wenn sie sich das Recht auf ein bisschen Glück zugestand, es ging niemanden etwas an. Zum ersten Mal im Leben fühlte sie sich ohne Wenn und Aber geliebt, und dieses Geschenk war kostbarer für sie als sämtliche Juwelen, die der König ihr zu seinen Lebzeiten um den Hals gehängt hatte. Sie trug den Schmuck nur noch, wenn sie im Thronsaal Hof halten musste. Brone hatte ihr die Augen geöffnet, als sie ihm für ein offizielles Porträt Modell sitzen musste. Er erklärte damals auf einfühlsame Weise, das kalte Funkeln der Edelsteine würde von Aurnias natürlichem warmen Strahlen ablenken und ihre Schönheit würde in schlichterer Kleidung viel besser zur Geltung kommen. Sie hatte sich nicht zuletzt durch den liebevollen Blick überzeugen lassen, er meinte wirklich, was er sagte. Der offenen, geradlinigen Art Brones war Schmeichelei, die nur dem eigenen Vorteil diente, fremd. Er erwartete nichts, war zufrieden mit dem Leben und glücklich mit seiner Arbeit. Zwar war deutlich zu sehen, dass sie ihm gefiel, aber genauso klar zeigte er, dass er sich nichts davon erhoffte.
    Aurnia lächelte, als sie an die eigenen Träume dachte, die eine Zukunft mit ihm nicht ausschlossen, im Gegenteil. Allerdings würde es jahrelange Geduld brauchen und gut durchdachte Pläne erfordern, um ihn eines Tages offiziell an ihrer Seite zu sehen. Sobald Dallachar einmal den Thron bestiegen hatte, würde es die Menschen vermutlich weniger stören, dass sie einen jüngeren Mann von niederer Herkunft zur Ehe nahm. Im Gegensatz zu früher waren Aurnia diese Unterschiede heute vollkommen gleichgültig und die Aussicht, den Anspruch auf den Thron mit allen damit verbundenen Vergünstigungen aufgeben zu müssen, erfüllte sie nicht mehr mit Schrecken. Sie konnte sich sogar vorstellen, mit Brone in einem einfachen Haus in seinem Heimatdorf Creig zu leben. Einiges hatte sich durch den Maler gründlich verändert, sie beurteilte oder sah die

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