Die Flammen der Dunkelheit
Lügen meine Mutter aus dem Spiel!«
Jetzt blitzte auch in Dídeans Augen Zorn auf. »Gut! Es ist also eine Lüge, dass sie sich um Euch sorgt. Ganz meine Meinung!«
»Das habe ich nicht gesagt. Du verdrehst mir die Worte im Mund!« Aufgebracht ging er zuerst im Zimmer hin und her und umklammerte dann mit den Händen eine Stuhllehne, um nicht in der Wut auf Dídean einzuschlagen. Genug! Er musste die Wahrheit erfahren. Schon lange hatte er ihre Abneigung gegen seine Mutter bemerkt und nun wollte er den Grund wissen. »Aber du glaubst das, ich weiß es. Sag mir, was du gegen sie hast! Und lüg mich ja nicht an!«
Er sah, wie sie innerlich kochte. Schließlich brach es aus ihr heraus: »Ich hasse es, wenn sie Euch Dall nennt!«
»Was ist daran so schlimm?«, wunderte er sich.
»Dall bedeutet blind oder dumm, im Gegensatz zu dem Namen Dallachar, der für Blenden und Glanz steht und den man gewählt hat, damit Eure königliche Ausstrahlung betont wird.«
Einen Augenblick war er stumm, um diese Neuigkeit zu verdauen, aber dann musste er seine Mutter verteidigen. »Woher soll sie das wissen? Ich hatte auch keine Ahnung davon. Du tust alles, um sie schlecht zu machen. Warum willst du uns auseinanderbringen?«, rief er aufgebracht. »Ich werde mit meiner Mutter darüber reden. Nicht einen Tag länger will ich in deiner Obhut sein!«
Dídean wurde bleich. »Sie weiß es«, stieß sie hervor. »Ich sehe es an der Verachtung und dem Hass in ihren Augen, wenn sie Euch anschaut.«
Dallachar starrte sie entsetzt an und Dídeans Stimme wurde weicher, als sie fortfuhr: »Ich wünschte, ich hätte Euch dies nie sagen müssen, mein Prinz. Aber es hilft Euch nicht, wenn Ihr Euch weigert, die Wahrheit endlich zu sehen.«
»Warum sollte sie mich hassen?«, fragte er leise.
»Ich weiß es nicht und ich wünschte, es wäre anders und Ihr könntet ein glückliches, geliebtes Kind sein. Eines aber ist gewiss: Es ist auf keinen Fall Eure Schuld!« Dídean klang so traurig, dass er für einen Moment zweifelte und überlegte, ob sie recht hatte mit ihrer Sicht der Dinge. Aber dann verwarf er diesen Gedanken wieder, er hätte ihn nicht ertragen.
»Gut, ich werde nichts gegen dich unternehmen – solange du nie wieder solche Dinge behauptest. Und jetzt lass mich allein!«
Dídean nickte und verließ den Raum ohne Widerrede. Dallachar ging zum Fenster und schaute übers Meer, ohne etwas zu sehen.
Ruhelos wanderte Dídean durch die dunklen Räume des Palastes. Bis auf die Wachen und sie selbst schliefen die Bewohner längst. Die langen Gänge wirkten ohne die Wandbehänge noch trostloser als sonst. Dídean bedauerte, dass der Sturm die kostbaren Seidenstickereien zerstört hatte, sie waren hier in der Stadt eines der letzten Zeugnisse aus glücklicheren Tagen gewesen. Unaufhaltsam verschwand alles, was an die Vergangenheit erinnerte. Gleichzeitig schien die Zukunft, in die nicht nur sie all ihre Hoffnungen setzte, immer mehr gefährdet.
An einem der Fenster blieb sie stehen und sah hinab auf den Hof. Wie hatte ihr bloß dieser Fehler unterlaufen können! Dídean machte sich bittere Vorwürfe, dass sie Dallachar nicht sofort gebremst hatte. Nur durch ihr blitzschnelles Eingreifen, als er das fallende Brett hielt, konnte sie seine ungewöhnlichen Kräfte herunterspielen. Die Männer hatten vermutlich ihre unmenschliche Schnelligkeit und Dallachars zu große Stärke bemerkt, aber weil nicht sein konnte, was nicht sein durfte, hatten sie ihre Worte dankbar als Ablenkung angenommen. Trotzdem konnte sie niemals sicher sein, dass keiner von ihnen sich irgendwann Gedanken machte und über diesen Vorfall plauderte. Wie schnell wurde aus Gerüchten Unglück geboren! Ob sie den Jungen doch einweihen sollte? Sie hatte oft darüber nachgedacht. Aber auch jetzt kam sie zu dem Schluss, dass es zu riskant war, denn sie konnte schlecht abschätzen, wie er diese Neuigkeit aufnehmen würde. Sein Verhalten war in den letzten Jahren immer unberechenbarer geworden, die Ablehnung ihr gegenüber immer größer. Sie verstand nicht, was sie falsch machte, sie hatte doch alles für ihn getan, seit er auf der Welt war, ihn umsorgt wie eine Mutter! Wie viele Nächte hatte sie ihn in ihren Armen gewiegt und für ihn gesungen, wenn er weinte! Aber er wies ihren Trost und ihre Zuneigung zurück und hoffte stattdessen auf die Liebe einer Frau, die ihn aus ganzem Herzen hasste. Was hatte die Königin, was sie, Dídean, ihm nicht geben konnte?
Je mehr ihr der Junge
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