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Die Flammen der Dunkelheit

Die Flammen der Dunkelheit

Titel: Die Flammen der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyne Okonnek
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trotzdem zufrieden, weil ihre Begegnung hier einen weniger förmlichen Charakter haben würde.
    »Komm mit, ich habe etwas für dich«, sagte Aurnia und ging zu einer Anrichte am anderen Ende. Dallachar folgte ihr gespannt und sah dort ein gefaltetes Hemd, dessen Kragen bestickt war. Sie hob es auf und hielt es ihm hin.
    »Für mich?«, fragte er überrascht und erfreut zugleich. Noch nie hatte sie ihm selbst etwas überreicht. Geschenke wurden ihm sonst von Bediensteten ausgehändigt, sodass ihm das Gefühl versagt blieb, sie von der Mutter zu bekommen. Doch die Freude wurde sogleich wieder zunichtegemacht.
    »Es war die Idee des Erwählten«, sagte Aurnia mit unbewegtem Gesichtsausdruck, an dem Dallachar nichts ablesen konnte. Aber dies allein zeigte ihm, dass es vermutlich eher ein Befehl gewesen und Aurnia ihm ohne Begeisterung nachgekommen war. Mit hängenden Armen stand er vor seiner Mutter, statt ihr das Hemd abzunehmen. Auch sie rührte sich nicht und die Stimmung im Raum wurde zusehends angespannter. Jemand räusperte sich und Aurnia schrak zusammen. »Zieh es an!«, sagte sie.
    Noch während sie sprach, legte sie das neue Hemd auf die Anrichte zurück und machte sich gleich darauf an dem Verschluss von Dallachars Jacke zu schaffen, der sie verwirrt anschaute. In seiner Verblüffung ließ er sich wie ein kleines Kind entkleiden. Als sie die obersten Knöpfe des Hemds geöffnet hatte, beugte Aurnia sich vor und fragte: »Was hast du da?«
    Unwillkürlich tastete er nach der Feder, die an einer Seidenschnur um seinen Hals hing. Die meiste Zeit dachte er gar nicht an sie, denn sie war so leicht, dass er sie kaum spürte. Verlegen scharrte er mit dem Fuß. Er konnte hier schlecht vor allen zugeben, dass er diesen Talisman trug, um dem Erwählten besser zu widerstehen. Das war Dídeans Begründung gewesen, als er sie das erste Mal wegen der Kette fragte und sie ihm einschärfte, dass niemand das Schmuckstück zu Gesicht bekommen sollte, weil es sonst die magische Kraft verlieren würde. Solange er klein war, hatte er wirklich geglaubt, eine magische Feder zu besitzen, später jedoch zweifelte er daran. Trotzdem trug er sie, aus Gewohnheit und in gewissem Sinn auch als Mahnung, nie nachzulassen in seinem stillen Widerstand gegen den Verhassten. Außerdem, schaden konnte es nicht. Jetzt war es ihm unangenehm, zumal seine Mutter davon wenig angetan zu sein schien.
    »Zeig her!«, sagte sie. Weil er ihrer Forderung nicht sogleich nachkam, zog sie an der Schnur und als die Feder sichtbar wurde, riss sie ihm die Kette kurzerhand über den Kopf und warf sie achtlos auf die Anrichte. Sie nahm das Hemd und faltete es auseinander, als ob nichts geschehen wäre. Die Stickerei am Kragen verzog den Stoff und wirkte, als hätte sie die Stiche mehrmals wieder aufgetrennt und neu gemacht. Dallachar beobachtete, wie ihre Finger zitterten und schaute ihr forschend ins Gesicht. Sie schien seinen Blick zu spüren und hob den Kopf. Gleich darauf ließ sie das Hemd fallen und sah ihn mit einem Ausdruck äußersten Entsetzens an. Mit bebender Hand deutete sie auf ihn, dann begann sie wie eine Verrückte zu schreien. Dallachar erstarrte und begriff nicht, was geschah. Wie durch einen Nebel erlebte er den Tumult, der nun ausbrach. Erst als der Erwählte seine Mutter ohrfeigte und sie damit zum Schweigen brachte, erwachte er aus der Versteinerung. Aber er kam gar nicht dazu herauszufinden, was mit ihr los war, denn der Erwählte hatte ihn inzwischen angesehen und rief sofort den Soldaten zu, den Jungen zu ergreifen.
    Irgendjemand kreischte: »Ein Dämon, ein Dämon!«
    Dallachar nahm es nur am Rande wahr, als beträfe es ihn nicht. Fassungslos entdeckte er Angst und Abscheu in den Augen seiner Mutter, die ihn immer noch anstarrte, als wäre er eine Erscheinung. Er merkte kaum, wie ihn die Flammenkrieger fesselten, und als er aus dem Raum, über Treppen und Gänge, hinaus in die Gassen und bis zum Heiligtum geschleift wurde, war ihm weiterhin, als wäre er in einem schlimmen Traum gefangen. Dies blieb so, als es eine Wendeltreppe hinabging und an Zellen vorbei, die grausige Bilder preisgaben. Dann lag er wie betäubt selbst auf dem Boden einer solchen Zelle und begriff immer noch nicht, was geschehen war. Was hatte seine Mutter in ihm gesehen?
    Plötzlich stand der Erwählte vor ihm und stellte seltsame Fragen, von denen Dallachar keine beantworten konnte. Woher sollte er von Dídeans Herkunft wissen, hatte er sie eingestellt? Ebenso wenig

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