Die Flammen der Dunkelheit
verwundert, hütete sich aber herauszufinden, was vor sich ging. Das konnte er ohnehin vom Küchengesinde viel einfacher erfahren. Niemand wusste so gut und so schnell Bescheid, sei es im Palast oder hier. Schon als er die Tür öffnete, sah er Koch und Gehilfen beieinanderstehen. Sie waren ins Gespräch vertieft und bemerkten ihn nicht. Ardal war froh, dass er ungestört lauschen konnte. Aber als er hörte, worüber sie sich unterhielten, traf ihn der Schreck völlig unvermittelt. Mit zitternden Knien schleppte er sich zum nächsten Stuhl und schnappte nach Luft. Er fühlte sich, als hätte er einen Schlag in die Magengrube erhalten, und ihm wurde schwarz vor Augen.
»Was ist mit Euch?«, hörte er die Stimme des Kochs wie durch eine Nebelwand. Der Mann war wohl doch auf ihn aufmerksam geworden.
»Krank«, murmelte Ardal. »Bin krank.«
»Ihr solltet Euch ins Bett legen!«
»Wollte nach Essen fragen. Für meinen Sohn.«
Der Koch wies eines der Mädchen an, gedünstetes Gemüse und Brot zusammenzupacken, und trug dem kräftigsten der Küchenjungen auf, Ardal zu begleiten. Dieser bedankte sich und wankte mit der Hilfe des Jungen nach Hause.
Benen erschrak, als er seinen Vater sah, doch er zog sich ohne Fragen zurück, als Ardal sagte, er wäre müde und wollte jetzt schlafen. Nachdem Benen den Raum verlassen hatte, sank Ardal auf dem Bett in sich zusammen. Wirre Gedanken schossen ihm durch den Kopf und begannen sich erst nach einer ganzen Weile zu ordnen.
Alles umsonst!, dachte er. Wie sollte es jetzt weitergehen? Sie würden verschwinden. Es war unvorstellbar, dass die Priester jemals ein Einsehen hätten und ein friedliches Miteinander dulden würden. Sie machten ja nicht einmal vor dem Thronfolger halt mit ihrer gnadenlosen Verfolgung. Wie hatten sie nur herausgefunden, dass der Prinz Dämonenblut in sich trug? Irgendwann würden sie auch den Zusammenhang mit der Prophezeiung herstellen. Aber es spielte alles keine Rolle, das Schicksal des Jungen war in jedem Fall besiegelt und damit das eines ganzen Volkes. Einen Augenblick überlegte Ardal, wie er das Kind aus dem Kerker befreien könnte, verwarf den Gedanken aber wieder. Dies war ein sehr besonderer Gefangener, der Priester und Soldaten gleichermaßen überrascht haben dürfte. Da unten rannten jetzt Heerscharen von ihnen aufgeregt umher und ließen ihn keinen einzigen Moment aus den Augen. Vermutlich folgten irgendwann auch neue Wellen von Durchsuchungen. Ohne Zweifel würde er früher oder später entdeckt werden. Bald gäbe es nirgends einen sicheren Ort auf der Insel, nicht für ihn, nicht für seinen Sohn oder alle anderen. Was sollte er nun mit Glic machen? Ardal war ratlos. Aber er musste es allein entscheiden. Bis auf Weiteres wäre es zu gefährlich, sich auf den Dachboden zu schleichen, um dem Boten eine Nachricht mit dieser Frage zu hinterlassen. Jedes ungewöhnliche Verhalten war von nun an verdächtig, es würde unmöglich sein sich herauszureden, falls man ihn dort antraf, wo er keinesfalls etwas zu suchen hatte. Eigentlich sollte er aufhören mit den fruchtlosen Überlegungen, er könnte das Kind nie vor die Tür setzen, das brachte er nicht fertig. Sollten sie sein Haus durchforsten, würde es auf einen weiteren Dämon wohl kaum ankommen! Vielleicht war es am besten, sich unauffällig zu verhalten und sich Mühe zu geben, einfach nur den nächsten Tag zu überstehen.
Ist das noch Leben?, fragte sich Ardal, ohne herausfinden zu können, ob Bitterkeit oder Resignation überwog. So oder so hatten sie verloren. Das Ende war nicht mehr aufzuhalten, und in ihm breitete sich Stück für Stück eine große Leere aus, als wollte sie es vorwegnehmen.
»Du hast ihn einfach allein gelassen?« Es war deutlich, dass Aithreo es immer noch nicht fassen konnte.
»Jemand musste euch Nachricht geben!« Ihre Stimme tönte unnatürlich laut.
Die Gesichter der anderen Gefährten schauten sie ebenso ungläubig an. Bis auf die Wachen am Eingang war das gesamte Volk hier in der großen Halle versammelt. Seit ihrer Ankunft war nur wenig Zeit vergangen. In Windeseile hatte Aithreo alle zusammengerufen.
»Der Raum war voller Soldaten! Mein Tod hätte dem Jungen nichts genützt!«, verteidigte sich Dídean.
»Du hast nicht einmal versucht ihn zu retten, hast stattdessen dich in Sicherheit gebracht.«
Die Verachtung in Aithreos Augen traf Dídean bis ins Mark und ließ sie verstummen. Was konnte sie dagegen vorbringen? Aber noch trug sie den Kopf stolz erhoben.
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